Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer stellte bereits in den 1970er Jahren die Konsumgesellschaft aus ökologisch-psychologischer Sicht infrage. Mit seinem 2020 erschienenen Buch „Die Kunst der Reparatur“ knüpft er an diese frühe Sichtweise an – und schreibt ein Plädoyer für das Reparieren. Dabei konstatiert er, dass das gängige Modell von Ex-und-hopp nicht nur die Umwelt, sondern auch unsere Innenwelt lädiere.
Schmidbauers Essay umfasst 16 Kapitel, in denen er die vielfältigen Anregungen zur Entwicklung einer Reparaturgesellschaft um psychologische Aspekte ergänzt. Insbesondere die fast meditativen Detailbeschreibungen der jahrzehntelang andauernden und nie endenden Reparaturarbeiten in seinem norditalienischen Ferienhaus verweisen auf die Analogie von der Reparatur von Dingen und zwischenmenschlichen Beziehungen. Sein Schreibstil wechselt zwischen persönlichen Erzählungen und gesellschaftlichen Beobachtungen. Hier einzutauchen macht Freude.
Anhand von vielen Beispielen gelingt es dem Bestsellerautor seine LeserInnen direkt anzusprechen. Jede/r kann sich in seinen Geschichten wiederfinden. Diese bieten Identifikation und reflektieren unser Handeln, bringen es mit unseren emotionalen Beziehungen in Verbindung. So schreibt er in der Einleitung: „Der geistige Nutzen der Reparatur liegt darin, dass sie es uns ermöglicht, die Geschichte einer Störung zu lesen und daraus Schlüsse zu ziehen, wie wir sie beheben oder ihr vorbeugen können.“ (S. 11)
Und dies bezieht sich ganz sicher nicht nur auf die Reparatur von Gegenständen, sondern auch und vor allem auf das reparaturbedürftige Verhältnis von uns Menschen zur Natur.
Wolfgang Schmidbauer (2020): Die Kunst der Reparatur. Ein Essay, München: oekom Verlag