Do-it-yourself - ein Lexikon

 

Dieses Glossar präsentiert eine begriffliche Inventarisierung des Do-it-yourself/Do-it-together, wie es sich heute vielerorts zeigt: Es beschreibt kleine und große Dinge, Räume, Ökologien, materielle Arrangements, Praxen, Körper, Spezies, Sozialitäten, Politiken und vieles mehr. Die Form des Glossars entspricht der Praxis des DIY/DIT, es ermuntert zum Stöbern, Zusammenklauben und Neuarrangieren. Jeder Begriff eignet sich gleich gut als Einstieg. Zahlreiche Begriffe sind durch Links verknüpft, Sprünge sind jederzeit möglich.

Eine erste und umfassendere Version des Glossars ist Teil der Buchpublikation Stadt der Commonisten von Andrea Baier, Christa Müller und Karin Werner, die seit April 2014 unter einer CC-Lizenz allen Interessent*innen open access zur Verfügung steht.




3D-Drucker

3D-Drucker

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Der 3D-Drucker gehört wie die > CNC-Fräse und der > Lasercutter zur Grundausstattung jedes FabLabs. Er druckt per Mausklick Schicht für Schicht dreidimensionale Werkstücke, z.B. Haushaltsgegenstände (Tassen, Teekannen etc.), Ersatzteile, Spielzeug (aus Plastik oder Metall). Er gehört zur Gruppe der digitalen Fabrikatoren und funktioniert computergesteuert: Modelle werden am Bildschirm entwickelt oder dreidimensional eingescannt. Die Herstellung ist weniger aufwändig als im Spritzgussverfahren, es müssen keine Formen hergestellt und angepasst werden. 3D-Drucker arbeiten im Prinzip ohne Materialverlust. Das Verfahren eignet sich für die Entwicklung von Prototypen bzw. für die Herstellung von Werkstücken, von denen nur wenige gebraucht werden.

In der Industrie (insbesondere Automobilindustrie und Medizintechnik) werden dreidimensionale Druckverfahren schon lange eingesetzt. Die individuelle bzw. kollektive Nutzung außerhalb der Fabrik nimmt in dem Maße zu, wie die Anschaffungskosten sinken. Insbesondere die auf der Grundlage von Open Source entwickelten Projekte RepRab und MakerBot arbeiten an der Entwicklung massentauglicher additiver Maschinen. Perspektivisch werden 3D-Drucker die dezentrale Produktion von Dingen außerhalb der großen Industriestrukturen ermöglichen. 

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Arbeit

Arbeit

 arbeit-prinzessinnengarten

Arbeit – die (auch ethisch) so wichtige Schlüsselkategorie der abendländischen Moderne – wird im DIY-Kontext neu definiert als künstlerisch-schöpferisches In-der-Welt-Sein und Formen der Welt. Vor allem wird die protestantische Vorstellung auf den Kopf gestellt, dass der Einzelne der Welt mühsam und „im Schweiße seines Angesichts“ knappe Ressourcen abtrotzen muss. Im Gegensatz dazu sieht man die Welt und ihre Möglichkeiten als Fülle. Während man früher „arbeitete“, wird hier in erster Linie „gefunden“ (Mining), geerntet, kreiert, eingegriffen und frei genutzt. Die Welt wird als Möglichkeitsraum begriffen. Statt sie auszubeuten, legt man es darauf an, sie zu verstehen und mit ihr zu kooperieren. In diesem Sinne versteht man die Welt und sich selbst darin als > Commoner.

Das bedeutet nicht, dass in den Projekten nicht viel gearbeitet würde oder dass es keine Mühe machte, sie zu initiieren und am Laufen zu halten. Das Gegenteil ist der Fall. Aber die Arbeit, die in den Gemeinschaftsgärten, Nähwerkstätten, Kartoffelkombinaten, FabLabs getan wird, ist eben Arbeit, die in Eigeninitiative erfolgt, sich dem Konsumprinzip entzieht und nicht im Dienste der Profitsteigerung steht. Gegen das implizite Programm industrieller Produktion, Menschen „unzuständig zu machen“ (Gronemeyer 2012), erklären sich die Beteiligten in den Projekten für zuständig: für zeitgenössische Stadtentwicklung, für den Erhalt des Saatgutes, für die Erforschung und Entwicklung postfossiler Mobilität, für den sorgsamen Umgang mit Ressourcen, für Fairness und Gerechtigkeit etc. 

Arendt, Hannah (1996): Vita activa oder Vom tätigen Leben. München: Piper.
Gronemeyer, Marianne (2012): Wer arbeitet, sündigt. Ein Plädoyer für gute Arbeit, Darmstadt: Primus.

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Arrangement

Arrangement

 arrangement

Die materiellen Architekturen des DIY sind wandelbar. Ihre zeiträumliche und materielle Ordnung ist geprägt von einer Praxis des Arrangierens. Situationen und Atmosphären werden durch den schnellen und gekonnten Zugriff geformt: Beschaffen, Hinstellen, Zusammenfügen, Zurichten, Benutzen, Verschieben, Trennen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Körper der Beteiligten, um die herum und denen zugeneigt > Dinge zu visuellen und haptischen Körperarchitekturen arrangiert werden. Vorläufige Angänge, Unabgeschlossenheit und Improvisation sind Programm.

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Bauern

Bauern

 bauern

Die gesellschaftliche Missachtung des Bäuerlichen führte seit den 1950er Jahren dazu, dass sich Bauern lieber Landwirte nannten, dass sie ihre Höfe wie Betriebe führten und ihre Produktion zunehmend an rational-wirtschaftlichen Kriterien ausrichteten. Die Industrialisierung der Landwirtschaft erforderte und produzierte ein entsprechendes Selbstverständnis. Aber nicht alle Bauern und vor allem Bäuerinnen ließen sich das Bäuerliche austreiben. Heimlich pflegten sie sentimentale Beziehungen zu ihren Tieren, hielten an den dörflichen Austauschbeziehungen fest, verteidigten die lokale Ökonomie, bauten kleinere Schweineställe als die Landwirtschaftskammer empfahl etc.

Insbesondere in den Ländern des globalen Südens erwies sich eine subsistenzorientierte Landwirtschaft immer schon als beste Lebensversicherung, für die bäuerlichen Produzent_innen wie für die lokale und regionale Ökonomie. 2012 bestätigten Experten im Weltagrarbericht, dass nicht die industrialisierte, sondern die kleinbäuerliche Landwirtschaft den Menschen vor Ort Ernährungssicherheit gewähren kann und in der Lage ist, die Welt zu ernähren. Initiativen wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und die Kleinbauernorganisation La Via Campesina bekommen unerwartet Unterstützung durch die neuen „Kleinbauern“ in den Metropolen. Die > Urban Gardening-Bewegung erklärt sich solidarisch mit den Anliegen der internationalen Kleinbauernbewegung und fordert: faire Preise, Zugang zu Land für die unmittelbaren Produzent_innen, kein Flächenverbrauch für Futtermittel und sonstige Industrierohstoffe, freies Saatgut und Nachbaurechte. Urban Gardener unterstützen ihre ruralen Kolleg_innen, indem sie Bewusstsein für die Bedeutung gesunder Lebensmittel schaffen, alte Sorten wiederentdecken, Regionalität und Saisonalität propagieren und vegetarische Rezepte verbreiten.

Baier, Andrea/ Bennholdt-Thomsen, Veronika/ Holzer, Brigitte (2007): Ohne Menschen keine Wirtschaft. Oder: Wie gesellschaftlicher Reichtum entsteht. München: oekom.
Müller, Christa (1998): Von der lokalen Ökonomie zum globalisierten Dorf. Bäuerliche Überlebensstrategien zwischen Weltmarktintegration und Regionalisierung. Frankfurt/New York: Campus.
Weltagrarbericht: https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/baeuerliche-und-industrielle-landwirtschaft.html

 

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Baumscheiben

Baumscheiben

 baumscheiben.muenchen

Die Baumscheibe gehört zu den bevorzugten Zielen für die ebenso eigenmächtige wie wirkungsvolle Verschönerung des Straßenbilds durch Anwohner_innen und/oder Guerillagärtner_innen. Gemeinhin finden diese Signierungen und Verschönerungen des öffentlichen Raums durchaus Anklang in der Nachbarschaft und sogar bei offiziellen Stellen. In München werden die Pflanzaktivitäten von der Stadtverwaltung unterstützt. > Guerilla Gardening

 

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Bausteln

Bausteln

 bausteln.odc-berlin

Programmatisch gemeinte Wortneuschöpfung. In den Werkstätten des DIY wird nicht mehr entweder gebaut oder gebastelt, sondern alles durcheinander, und die Grenzen zwischen den Gewerken werden bewusst überschritten. An den Ba(u)stelabenden kann man mit dem Computer spielen, Origami falten, Legosteine verbauen oder Trillerpfeifen mit dem 3D-Drucker herstellen, je nach Lust, Kenntnis und Laune. Es geht gleichermaßen um traditionelle Handwerke wie um das neueste digitale Gerät. Die Beteiligten proben die Demokratisierung des Produktionswissens und erfinden die Dingwelt neu, bauen sie um, versehen sie mit Intelligenz. „Gebaustelt“ werden besonders gerne „Maschinen, Roboter, Kunstwerke der Zukunft“.

http://bausteln.de

Friebe, Holm/ Ramge, Thomas (2008): Marke Eigenbau. Der Aufstand der Massen gegen den Massenkonsum. Frankfurt/New York: Campus.

 

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Besetzung

Besetzung

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In der hyperfunktionalen Stadt steuern Governance-Prozesse die urbane Vitalität. Die Menschen sind Kontrollmechanismen wie z.B. unsichtbaren Videokameras und Leitsystemen ausgesetzt. Diese dem Blick verborgene verräumlichte Macht weckt Unbehagen und provoziert Interventionen: etwa temporäre Besetzungen (Flashmobs) oder räumliche Performances wie karnevaleske Umzüge oder ortsbezogene Projekte. Diese Räume sind keine solide gefügten Containerräume mit festem Personal und Reglement. Ihnen ist eine eigentümliche Leere eigen. Im Gegensatz etwa zum hochtechnisierten Raum-Körper-Apparat eines Flughafens, eines Fitness-Studios oder einer Diskothek bringt das Unbestimmte und Offene von DIY/DIT-Orten die beteiligten Akteure in die Präsenz und mitunter auch in Bewegung, im eigenen Tempo und in eigener Weise.

Sich in solchen Räumen aufzuhalten, begünstigt eine Haltung der Neugierde und des Ausprobierens. Eng vernetzt werden Pflanzen, Tiere, Dinge und Menschen Partner in wechselnden Choreographien. Diese Räume nähren also nicht die liberale Idee des autonomen Subjekts und Weltenschöpfers, sondern begünstigen eine lebendige demokratische Pluralität, an der jeder und jedes teilhat. Die Orte laden dazu ein, sich selbst immer wieder neu zu (er-)finden, mit neuem Blick auf die Dinge und Widerfährnisse des eigenen Lebens zu schauen. Sich frei durch das Blumenbeet zu bewegen, langsam, schlendernd, die Hände in der Hosentasche, das ist die Bewegung, aus der dann vielleicht andere entstehen.

 

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Bibliothek

Bibliothek

 bibliothek frankfurter-gart

In den neuen Gemeinschaftsgärten finden sich oft kleine Bibliotheken. Wo Erfahrung und Ausbildung fehlen, wird nach Anleitung und Bücherwissen experimentiert. Akribisch wird Wissen gesammelt und ausgetauscht, und die Erfahrungen, die man in der Praxis macht, werden systematisch ausgewertet. Gegenseitige Fortbildung und Workshops stehen hoch im Kurs.

 

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Bienen

Bienen

 bienen

Urbane Gärten sind Refugien für die von der industriellen Landwirtschaft bedrängten Honigbienen, die so ungeheuer wichtig sind für die Ernährungssicherheit. Fast jeder urbane Garten hält ein Bienenvolk (oft auch mehrere). Diese nützlichen, gefährdeten und schutzbedürftigen städtischen Mitbewohnerinnen werden in den Gärten als Subjekte der > Fürsorge willkommen geheißen. Hier baut man ihnen „wilde Ecken“, Bienenweiden mit Nektar- und Pollenpflanzen. Die Bienen, die schon seit längerem größere Städte anfliegen, weil ihnen hier größere Blütenvielfalt geboten wird als auf dem (von Monokulturen dominierten) Land, nehmen das Angebot dankend an (und dafür Feinstaub und Abgase in Kauf). Ökologisches Gärtnern und wesensgemäße Bienenhaltung ergänzen sich ideal. Auch die selten gewordenen Wildbienen bevorzugen die Stadt dank der wärmeren Temperaturen, die nicht nur die einzelnen Tage, sondern auch die aktive Jahreszeit verlängern. Ohne die neuen Imker_innen hätten diese Nützlinge noch weniger Überlebenschancen, und ohne Bienen gibt es signifikant weniger Bestäubung, weniger Äpfel, weniger Kirschen.

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Bildung

Bildung

 bildung

DIY-Räume sind Umgebungen, die ständig Wissen generieren. Hier wird radikal neu bzw. von der Zukunft her gedacht, und eben nicht nur gedacht. Wissen wird nicht als fest umrissener Kanon, sondern als Prozess begriffen. Im DIY ist längst verstanden, dass neues Wissen nicht im luftleeren Raum der Abstraktion entsteht, sondern dass es dazu der praktischen Erfahrung und der Interaktion mit der Umwelt bedarf. Ohne Übertreibung kann das neue Selbermachen als eine der fruchtbarsten und radikalsten Formen des Lernens und der Selbstbildung verstanden werden. Respekt vor irgendeinem Kanon oder Curriculum hat man hier nur in Maßen. Damit vollzieht sich im DIY eine Gegenbewegung zum Bologna-Prozess in den Universitäten. Während an den Hochschulen zunehmend vorgegebener Stoff vermittelt wird und die Räume für selbst gewählte Themen und methodische Angänge immer kleiner werden, lässt sich ein „friendly Takeover“ der Forscher- und Bastelenergie durch die Selbermacher und > Dilettanten beobachten. Dies gilt sowohl für technische Belange als auch für Handwerk, Hauswirtschaft, Ernährung und Kunst. In all diesen Bereichen begeben sich die Akteure in mit großen Wissensbeständen und Traditionen angefüllte und hoch reglementierte Räume, um sie sich neu zu erschließen.

Ihr Zugang ist zugleich Entrümpelung wie auch Wiederbelebung tradierter Bestände. Vergessene Obst- und Gemüsesorten rücken ins Interesse von “Mundräubern“ und Gärtnern. >  Einkochen wird revitalisiert. Mobilität wird neu erfunden. Viele Projekte des DIY reklamieren für sich, Bildungsinstitutionen zu sein, und experimentieren auf vielfältige Weise mit der Praxis der Wissensvermittlung. Natürlich Learning by Doing. Lernen ist hier alltäglich. Es passiert oft beiläufig und ist doch hocheffektiv, denn gerade weil die Klassenzimmer- oder Seminarsituation anders als bei den Profis inszeniert wird, überwindet man mühelos Schranken und Widerstände. Es gilt: Alle lernen immer. Wissensgesellschaft war gestern, es lebe die Experimentiergesellschaft.

Halder, Severin et al. (2014): Wissen wuchern lassen. Ein Handbuch zum Lernen in urbanen Gärten. Neu-Ulm: AG Spak.
Peters, Sibylle (Hg.) (2014): Das Forschen Aller. Artistic Research als Wissensproduktion zwischen Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft. Bielefeld: transcript.

 

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Boden

Boden

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Die Geringschätzung des Bodens hat in der Geschichte der Menschheit mehr als einmal zum Untergang ganzer Weltreiche geführt (Montgomery 2010). Flächenverbrauch und Bodenverluste werden zunehmend zum Problem. 25 Milliarden Tonnen Boden werden jährlich durch Wasser und Wind abgetragen, 60-80 % davon verursacht durch unsachgemäße landwirtschaftliche Nutzung. 23 % der gesamten bewachsenen Flächen weltweit gelten inzwischen als durch Erosion erheblich geschädigt. Jedes Jahr werden 15.000 km² Boden durch Versalzung (Bewässerung in Trockengebieten) unbrauchbar. In Deutschland werden täglich 120 Hektar Fläche versiegelt. Der Verlust bzw. die Verbesserung oder die Anreicherung des Bodens ist in den urbanen Gartenprojekten ein wichtiges Thema. Eigener Kompost wird in allen Projekten angelegt, auch Wurmkisten stehen allenthalben herum, in vielen wird mit der Terra Preta-Herstellung, einer traditionellen Bodenverbesserungsmethode aus dem Amazonasgebiet, experimentiert. > Weltwissen

Montgomery, David R. (2010): Dreck. Warum unsere Zivilisation den Boden unter den Füßen verliert. München: oekom.
Scheub, Ute/ Pieplow, Haiko/ Schmidt, Hans-Peter (2013): Terra Preta. Die schwarze Revolution aus dem Regenwald (Hg.: Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis). München: oekom.

 

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Brachfläche

Brachfläche

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Eine innerstädtische Brachfläche ist ein Ärgernis oder ein Möglichkeitsraum. Je nach Perspektive. Jede Brachfläche ist ein potentieller Garten. Die ersten Gemeinschaftsgärten entstanden auf ungenutzten städtischen oder privaten Flächen. Mitunter war die Stadtplanung sogar dankbar, wenn Stadtteilaktivist_innen die Initiative ergriffen und einen Unort in ihrer Nachbarschaft in eine kleine Oase verwandelten. Solches Engagement spart öffentliches Geld und erhöht die Integration im Viertel. Grundsätzlich tolerieren Politik und Verwaltung diese neuen Nutzungsformen aber lediglich als > Zwischennutzung, denn die Flächen sollen auf Dauer wieder „in Wert gesetzt“, d.h. verkauft und bebaut werden. www.urbangardeningmanifest.de

Der Gedanke, dass innerstädtische, selbst verwaltete und gestaltete Grünflächen ein Wert an sich sind, entwickelt sich bei den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung nur langsam. Aber er entwickelt sich, wie man an einem Projekt wie der „Essbaren Stadt“ in Andernach sehen kann. Hier pflanzt die Stadt seit 2010 Gemüse in die städtischen Beete und alle dürfen ernten. Dieser innovative Ansatz erfreute sich nicht nur eines regen medialen Interesses, sondern sorgte auch unter Planer_innen für Aufmerksamkeit. 

 

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CNC-Fräse

CNC-Fräse

 

Gehört zur Gruppe der CNC-Maschinen (Computerized Numerical Control). Eine dreidimensional arbeitende Maschine, die Dinge aus einem Holz-, Kunststoff- oder Metallblock fräst, sogenanntes subtraktives Verfahren (im Unterschied zum aufbauenden, „additiven“ Verfahren eines 3D-Druckers). Die CNC-Fräse ist so unverzichtbar im FabLab wie der > 3D-Drucker

 

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Commons

Commons

 

Bis in die Gegenwart hinein verfügten vielerorts Allmenden über Land und natürliche Ressourcen und war die Nutzung von Ressourcen Gegenstand vielfältiger sozialer Aushandlungen, in der kapitalistischen Moderne erfolgte dann zunehmend ihre Einhegung mittels juristischer Interventionen. Die Folgen sind bekannt: Natürliche Ressourcen wurden zum Gegenstand grenzenloser Ausbeutung. Man spekuliert in großem Stil mit Rohstoffen, man vermarktet Wasser global. Boden, ganz gleich ob über dem Meeresspiegel > Landraub oder unter Wasser, wird zur begehrten Ware und im großen Stil und ohne jede Rücksicht auf die dort existierenden Lebensformen „abgeräumt“. Beklemmend ist die Machtlosigkeit angesichts der überwältigenden Phalanx aus Kapital, Politik, Wissenschaft und Technik, die dies ermöglicht.

Gegen diese Machtkonzentration wendet sich die Commons-Bewegung und sucht nach Wegen aus der Marktideologie und ihrem Denken. Commons, Gemeingüter, Allmenden – all diese Begriffe bezeichnen den kollektiven Versuch, den Marktliberalismus und die damit verbundene Handlungsrationaliät des Homo oeconomicus zu dezentrieren und durch demokratische Praxen in Gesellschaft und Ökonomie zu konterkarieren: Ressourcen werden gemeinsam bewirtschaftet, öffentliche Flächen für gemeinwohlorientierte Nutzungen reklamiert, Wissen kostenfrei zur Verfügung gestellt. Commons-Praxen suchen nach Formen der Kollaboration jenseits des exkludierenden Ökonomismus einer Stadt der Investoren.

„Commons fördern Sozialbeziehungen und Gemeinschaftlichkeit. Sie sind jene vielfältigen Formen gemeinsamen Sorgetragens, die für die am Homo oeconomicus orientierten Marktökonomen weithin unverständlich bleiben.“ (Helfrich/Bollier 2012, S. 21) Die Commonisten betonen die kooperative Kapazität, die sich im Sozialen immer wieder zeigt, und suchen nicht im Individuum, sondern im Sozialen nach Auswegen aus dem derzeitigen Dilemma.

Helfrich, Silke/ Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.) (2012): Commons. Für eine neue Politik jenseits von Markt und Staat, Bielefeld: transcript.
Ostrom, Elinor (1990): Governing the Commons. The Evolution of Institutions for Collective Action. Cambridge: Cambridge University Press.

 

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Community

Community

 community

Das Selbstverständnis, einer Community anzugehören, ist im DIY/DIT (Do it Together!) allenthalben spürbar. Man ist Mitglied einer Gartengemeinschaft, aber auch einer Gartenbewegung, man engagiert sich in einer offenen Werkstatt und gehört gleichzeitig einer Gemeinschaft von Baustlern, Makern, Craftistas an. Die Individualität wird dabei nicht aufgegeben, auf eine Ideologie muss sich niemand verpflichten, es sind Communitys, die mit der Verschiedenheit ihrer Mitglieder rechnen. Sie entstehen durch Face-to-Face-Kontakte, gemeinsame Aktivitäten oder virtuell. 

 

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Container

Container

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Der Container ist ein kosmopolitanes Objekt, das im Dazwischen zu Hause bzw. nirgendwo fest verankert ist. Er ist leer, sein Inhalt ist variabel. Es ist die Möglichkeit zu Bewegung und Verschiebung, die zählt. Vermutlich deshalb ist er in den urbanen Gärten oft zu finden. 

 

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Coworking

Coworking

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Coworking ist eine neue Form der Verräumlichung von Arbeit. Während es in früheren Phasen der Industriegesellschaft vorrangig große und fest strukturierte Organisationen gab, in denen das Arbeitssubjekt einen festen Platz und die Aussicht auf lange und planbare Beschäftigung hatte, ist diese Form zunehmend in Auflösung begriffen, jedenfalls nicht mehr exklusiv. Es entstehen verstärkt kleine, flexible Einheiten und eine andere Realität und Subjektivität von Arbeit. Die Gruppe von kreativen Projektarbeitern, die temporär begrenzte Aufträge bearbeiten, wächst. Sie sind meist jung, räumlich ungebunden und gestalten ihre Arbeitszeit selbst. Ihre Notebooks führen sie stets mit sich. Ihre Daten sind in einer Cloud gespeichert und überall zugänglich. Das Coworking ist das räumlich-soziale Arrangement, das in diesem Kontext gedeiht. Oft handelt es sich um das Teilen von Arbeitsräumen auf Zeit. Man bewegt sich mit leichtem Gepäck, man erhebt keine überzogenen Ansprüche, was das feste und bewegliche Inventar betrifft.

Coworking-Spaces liegen bevorzugt in urbanen Umgebungen, in denen andere kreative Akteure ihre Spuren hinterlassen haben und in denen ein Kiez-Lebensgefühl spürbar ist. Coworking ist Teil dieser Atmosphäre und ihrer vielen, meist kleineren Räume. Das Café, bestimmte Läden und angesagte Treffpunkte gehören dazu.

Bender, Désirée (2013): Mobile Arbeitsplätze als kreative Räume. Coworking Spaces, Cafés und andere urbane Arbeitsorte. Bielefeld: transcript.

 

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Crafting

Crafting

 crafting

Stricken, Häkeln, Nähen – das Entscheidende an der Crafting-Bewegung ist die Aktion im öffentlichen Raum. „Konservativ“ konnotierte und traditionell im Privaten verortete Tätigkeiten wie Handarbeit erfahren eine Umkodierung und darüber eine Wiederaneignung unter neuen Vorzeichen („Reclaiming your Granny’s Craft“). Die Anfang der 1990er Jahre von den "Riot Grrrls" ausgerufene Bewegung riet von Konsum ab und propagierte stattdessen: Mach es selbst! Als Punk-Künstlerinnen gründeten sie eigene Bands und Fanzines und luden die angestaubten Handarbeitstechniken mit einem widerständigen Image auf. So wurden bis dato als antifeministisch verdächtige Praktiken zum Zeichen feministischer Rebellion.

Im Unterschied zur > Maker-Bewegung, deren Verhältnis zum Kapitalismus ungeklärt bis positiv zu sein scheint, unterzieht die feministische DIY-Subkultur die kapitalistische Warenproduktion und Kulturindustrie einer versierten Kritik.

> Guerilla Knitting

Critical Crafting Circle (Gaugele, Elke et al.) (Hg.) (2011): Craftista! - Handarbeit als Aktivismus. Mainz: Ventil.

 

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Crowd

Crowd

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In Zeiten der räumlich entgrenzten Kommunikation stellt sich eine Crowd in der Regel durch die Nutzung von Internetmedien her. Hier lanciert man Aufrufe und Anliegen. Crowds existieren temporär, sie sind zweckgebunden und verfolgen ein klar beschriebenes Interesse. Die Beteiligten lernen als Teil einer größeren Einheit zu agieren. Man gibt einen definierten Teil seiner Zeit oder seines Geldes für einen bestimmten Zweck (Crowd-Funding). Man schreibt sich nicht in große Verbände ein und verpflichtet sich nicht auf Dauer. Man beteiligt sich sporadisch und oft spontan. Man kommt z.B. zu einer Pflanz- oder Aufräumaktion. Man hilft bei der Gestaltung einer Website. Man nimmt an einer Protestaktion teil. Dabei trifft man auf andere Teilnehmer_innen. Die Crowd will und bekommt die aktive Teilnahme nie ganz und für immer. Nach Abschluss der Aktion klinkt man sich wieder aus – bis zum nächsten Mal.

 

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Demokratie

Demokratie

 

DIY ist verbunden mit einem neuen demokratischen Stil, der dem Lebensgefühl der jungen Städter_innen entspricht:. Man geht davon aus, dass nichts bleiben muss, wie es ist, man richtet seine Lebenspraxis bewusst aufs Teilen und Tauschen von Ressourcen und > Commoning aus. Man hat keinen Vertrag mit politischer Repräsentation und steht einer hierarchischen Struktur von politischer Machtausübung skeptisch gegenüber. Stattdessen sucht und generiert man demokratische Zusammenhänge im Alltag. Der Ansatz ist konstruktiv: Die Akteure erkennen keinen Sinn darin, sich übermäßig in Kritik und Opposition zu erschöpfen und legen stattdessen ein frisches und respektloses Verhältnis zu allem Bestehenden an den Tag. Sie begeben sich in ein Feld überschaubarer Sozialität und intervenieren. Der Gestus ist freundlich, neugierig und verspielt, aber auch nüchtern, realistisch und sowohl technisch als auch sozial versiert.

Die Demokratie, an der hier gebastelt wird, ist eine alle Naturen einschließende Ökologie und Ökonomie: Menschen, Tiere und Pflanzen. Im Mittelpunkt des Demokratieverständnisses stehen die Normen der Gleichheit und der Teilhabe. Besonders letztere steht im Fokus. Als Teil der Open Source-Bewegung ist es selbstverständlich, ja verpflichtend, das eigene Wissen und die eigenen Dinge soweit möglich zu teilen oder mit anderen zu tauschen. Im Gegenzug reklamiert man Zugang zum Wissen und zu den Kapazitäten der anderen.

Das neue Demokratieverständnis schließt Praxen des Protests nicht aus. Es gibt auffällige Parallelen zwischen DIY und Occupy. Das strategische Kalkül der Wirkung hat vor dem kollektiven, auch körperleiblichen Prozess eines guten Miteinanders zurückzutreten. Es formt sich eine Parade, es formt sich ein Dorf, es formt sich, man weiß es nicht. Man muss es auch nicht wissen. Das wäre Old School und übermäßig viel Kontrolle. Kontrolle, die womöglich auf Kosten der Demokratie gehen könnte.

Es verwundert nicht, dass – nicht nur diesen Punkt betreffend – die Kommunisten und Sozialisten die verspielten Commonisten belächeln. Es handelt sich eben um grundverschiedene politische Kulturen. Die Commonisten entlasten sich vom Anspruch, die Gesellschaft insgesamt revolutionär umgestalten zu wollen.

 

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Dilettanten

Dilettanten

 dilettanten

Die neuen Selbermacher bezeichnen sich zum Teil ironisch als Dilettanten und erinnern damit an die ursprüngliche Wortbedeutung des Begriffs. Ein Dilettant zu sein, heißt, sich an etwas zu versuchen, aber auch: sich an etwas erfreuen. Dilettanten tun etwas aus Leidenschaft. Sie bewegen sich außerhalb vorgebahnter Wege und der Verbindlichkeit professioneller Normen. Sie beginnen mit allem, was sie tun, neu. Im Dilettantismus des DIY geht es darum, mit einer Sache einfach einmal anzufangen. Unterwegs werden oft Modelle als Handlauf genutzt: Es findet sich ein Muster, das sich nachbauen lässt und dabei meist modifiziert wird. Man variiert, man adaptiert. Aber man kopiert nicht – und lässt damit das industrielle Telos der massenhaften seriellen Produktion exakt gleicher Dinge hinter sich.

Die Selbstbeschreibung als Dilettanten endet jedoch nicht bei der Fertigung oder dem Händeln von Dingen nach eigener Façon. Dilettanten wollen sie auch in Hinblick auf das Soziale und sich selbst sein. Die hohen Anforderungen, die an das moderne Subjekt gestellt werden, mit sich selber identisch zu sein und eine rundum gute Lebensperformance zustande zu bringen (gut aussehen, gute Leistung im Job, die richtigen Freunde, die richtigen Partner, moralisch okay, usw.), können ein wenig an Festigkeit und Wahrheitsgehalt verlieren, wenn man gelegentlich die Erfahrung macht, dass sich das Leben und man selbst immer wieder neu zusammenfügen. 

 

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Dinge

Dinge

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Dinge spielen im DIY eine große Rolle: kleine und große Werkzeuge, Maschinen, PCs. Es werden neue Kontrakte mit diesen Helfern geschlossen. Das Werkzeug ist hier mehr als nur das Ding. Das Werkzeug, die Hardware oder das Tool sind auch als Metapher bedeutsam. In vielen offenen Werkstätten treten einem Werkzeuge in weit geöffneten Schränken oder an Wänden entgegen und prägen so eine räumliche Sphäre ansteckender Kreativität. Kollektionen und Anhäufungen von Proto-Werkzeugen eigener Art zieren den Raum. Man muss nur zugreifen. Im Prinzip kann jedoch alles zum Werkzeug werden. Man baut sie auch selbst, wenn es nicht anders geht, oder wenn es gerade den eigenen Ehrgeiz anstachelt. Metamorphosen überall. Es wird jedoch nicht gehegt und gepflegt. Man greift bei Bedarf darauf zu. Danach wird es irgendwo abgelegt oder hingestellt und zum Teil von Raum-Ensembles eigenen Stils. Man kohabitiert gerne mit ihnen.

Die Widerständigkeit, Sperrigkeit und Fremdheit der Dinge einerseits und die vielen Meriten und Gelegenheiten, die sie ihren Nutzern bescheren andererseits, ermöglichen im DIY eine neue Weise mit und durch sie zu sein, in einen eigenen Austausch mit ihnen einzutreten, der beinahe animistische Züge trägt. Der Blick auf die Dinge kann und soll hier nicht stillgestellt und auf die eine Funktion reduziert werden. Dies entspricht eher dem Blickregime des industriellen Fordismus, mit dem das DIY bricht. Das DIY interessiert sich besonders für das zweite und dritte Leben der Dinge, was sich u.a. im > Upcycling manifestiert. Die Dinge sollen von Hand zu Hand gehen. In der Logik der Zirkulation, des Weitergebens, > Teilens und Tauschens gehören die Dinge keinem Einzelnen. Besitz und exklusive Nutzung bedeuten Stillstand und Stagnation, auch Unternutzung. Das findet man weder intelligent noch sinnvoll. Indem man sie in Bewegung bringt und teilt, verflüssigt sich das Harte an den Dingen. 

 

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Do it yourself

Do it yourself

 

Es gibt viele Arten und Weisen, Dinge selber zu machen. Das neue DIY ist, wie die Künstlerin Lisa Anne Auerbach schreibt, „unkommerziell, tauschbasiert, gemeinschaftsverrückt und befreiend“. Es ist wirtschaftliches und soziales Handeln, das sich der Warenförmigkeit verweigert. Räume und Netzwerke des DIY sind u.a. die neuen urbanen Gärten, offene Werkstätten, > Knit Nites und Kleidertauschpartys, Aktivitäten im öffentlichen Raum wie Guerilla Gardening oder Strickmobs, Open Source und Open Design, Repair-Cafés, Workshops zu Terra Preta und Lastenfahrrädern, Aktivitäten im Bereich Recycling und Upcycling.

Bei DIY geht es auch um den Versuch, Orte zu schaffen, an denen ein anderes Arbeiten, Wirtschaften, Miteinander möglich ist. Dadurch bilden sich freie(re) Räume, wo Menschen so zusammenwirken, dass nicht alles, was man zum Leben braucht, Geld kostet. In diesen Räumen ist Zeit nicht Geld, sondern Zeit. Das Zauberwort lautet > Kollektivität. Folgerichtig heißt es inzwischen oft Do it together (statt Do it yourself). Es geht um den Versuch, nichtkommerzielle Tauschbeziehungen zu entwickeln, um angesichts der globalisierten Konsumindustrie Räume von Souveränität zu bewahren.

Auerbach, Lisa Anne (2012): Don’t do it yourself! In: Studienhefte Problemorientiertes Design, Heft 2. Hamburg: Adocs.
Baier, Andrea (2012): Selbermachen statt Konsumieren. In: FORUM Wissenschaft 2/2012. Marburg: BdWi, S. 29-32.

 

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Einkochen

Einkochen

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Die Wiederentdeckung basaler Kulturtechniken spielt im DIY eine prominente Rolle. Kochen und Einkochen gehören dazu, sind zudem unabdingbar, um der Gemüseschwemme im Sommer Herr (oder Frau) zu werden und das saisonale Angebot im Winter (Grünkohl, Weißkohl, Rosenkohl und Konsorten) mit sonnengereiften Tomaten, eingelegten Zucchini, Basilikumpesto u.Ä. zu bereichern. Außerdem: Wenn die energiefressende Kühltruhe abgeschafft werden soll, muss man wissen, wie Lebensmittel haltbar gemacht werden können bzw. zu konservieren sind. Das Gemüse zu verkochen oder einzukochen ist oft eine gemeinschaftliche Gartenaktion und bei den Beteiligten sehr beliebt. Einkochaktionen haben es auch mehrfach zum Kunstevent geschafft, vermutlich weil gefüllte Einmachgläser einfach gut aussehen. 

 

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Entrepreneur

Entrepreneur

Im DIY trifft man auf Unternehmer_innen neuen Typs. Sie unternehmen etwas, sie verbinden und verknüpfen, sind also Entrepreneure im wörtlichen Sinne. Man bezeichnet sie auch als Projektmacher. Sie sind oft rund um die Uhr aktiv, um gemeinsam mit anderen ein Experiment durchzuführen. Sie haben eine Idee oder einen Plan und verfolgen ihn mit viel Einsatz. Das verbindet sie mit den Kreativssubjekten des Marktes wie Bill Gates oder Steve Jobs, die einst in einer Garage zu basteln begannen. Ein Teil von solcher Gründermotivation ist in manchen zu spüren. Damit enden die Übereinstimmungen allerdings auch schon. Denn die DIY-Entrepreneure vertrauen bei der Verwirklichung der Idee nicht auf Geldgeber, Investoren oder einen Markt, sondern auf einen kollektiven Wirkungsraum, der sie aufnimmt, adaptiert und formt. Eher sind sie Begleiter, die ein Setting bereitstellen und ein Händchen dafür haben, dass sich die richtigen Leute einfinden und es mit Leben füllen. Sie gehen mit anderen, zumal sie nicht über die Mittel verfügen, viele Personen anzustellen und eine direktive Leader-Identität auszubilden. Sie sind in der Lage, von anderen zu lernen und dürfen keine Kontrollfreaks sein, denn als solche bekämen sie rasch einen Burnout.

Ähnlich wie die Akteure in der neuen Kreativindustrie kennen auch sie keine Trennung von Arbeit und Freizeit. Sie sorgen aber dafür, dass sie im Alltag einen nährenden Kontext und die Ressourcen finden, die sie für den Aufwand entschädigen. Viel Geld verdienen sie mit ihren Projekten nicht. Es geht ihnen um andere Werte. Einerseits leben sie, ökonomisch betrachtet, prekär. Andererseits aber auch nicht, weil sie am Aufbau und Erhalt von Netzen arbeiten, die sie auch selber tragen, absichern und halten.

Die spannungsgeladene und teilweise widersprüchliche Situierung der Entrepreneure in ihren Projekten, der Mangel an klaren und verbindlichen Strukturen, die unterschiedliche Befähigung Einzelner und das demokratische Gleichheitspostulat bergen ein hohes Konfliktpotenzial. Spannungen und Konflikte gibt es chronisch, und der Bedarf an Verhandlung und Klärung ist hoch. Das ist der Preis für das Experimentieren mit neuen kollektiven Formen.

 

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Entschleunigung

Entschleunigung

 entschleunigung

Für viele Großstadtbewohner_innen ist der Gemüsegarten ein Antidot zu Aufmerksamkeits- und Gegenwartsverlust, Multitasking und Secondscreening, Beschleunigung und Zeitverdichtung. Er dient dem "erschöpften Selbst" (Alain Ehrenberg) als Refugium. Der Garten verlangt nicht nach Zeitverkürzung, ganz im Gegenteil, er fordert die ihm eigene Zeit ein und die Gärtner_innen auf, sich auf die Bedürfnisse anderer Lebewesen einzulassen. Gärtnern entschleunigt und ermöglicht Erfahrungen mit Zeitzyklen und Sinnhorizonten der Agrarkultur. Jedes Jahr beginnt der Kreislauf neu mit der Vorbereitung des Bodens und dem Säen. Man ist der Natur ausgesetzt, den klimatischen Verhältnissen, den Jahreszeiten und den Tag-Nacht-Zyklen. Diese Zeitdimensionen sind faszinierend für hochgradig virtualisierte Individuen, für die alles gleichzeitig möglich und steuerbar scheint, nicht zuletzt, weil sie erkennen lassen, dass sie selbst in Lebenszyklen eingebunden sind und dass es klug ist, sich den Gegebenheiten gelegentlich einfach hinzugeben.

Ehrenberg, Alain (2008): Das erschöpfte Selbst: Depression und Gesellschaft in der Gegenwart. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Rosa, Hartmut (2005): Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

 

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Erdöl

Erdöl

Erdöl ist der Treiber und Beschleuniger der westlichen Konsumgesellschaften. Die Industrialisierungsprozesse der letzten Jahrhunderte basieren auf der Extraktion nicht nachwachsender Rohstoffe. Auch die landwirtschaftlichen Monokulturen wären ohne die Erdölprodukte Kunstdünger und Pestizide nicht denkbar, und die Globalisierung mit der exorbitanten Zunahme des internationalen Güterverkehrs hätte sich ohne den billigen Treibstoff nicht vollziehen können. Jetzt ist die Party vorbei, sagen Postkarbontheoretiker wie Richard Heinberg. Für sie ist Peak Oil, also der Höhepunkt der maximalen Ölförderung, bereits überschritten. Selbst wenn neue Funde gemeldet werden und umstrittene Verfahren wie Fracking und Offshore-Bohrungen Zugang zu weiteren Quellen verheißen: Kosten und Risiken der Energiegewinnung werden steigen und die Legitimationsgrundlage der Ölverbrennung wird schon aus Klimaschutzgründen zunehmend porös.

Peak Oil bildet einen Resonanzboden für > Urban Gardening-Projekte, Vorbild z.B. für den Berliner Prinzessinnengarten war die urbane Landwirtschaft auf Kuba. Der Karibikstaat hatte bereits 1989, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, keinen Zugang mehr zu preisgünstigem Erdöl und musste die Landwirtschaft eines industrialisierten Zuckerrohrexporteurs umstellen auf postfossile Subsistenzlandwirtschaft. Dabei spielte die Förderung des innerstädtischen Lebensmittelanbaus eine zentrale Rolle.

Städte wie Havanna sind heute Vorbild für Kommunen (nicht nur) im globalen Süden. Aber auch einige urbane Gartenprojekte wollen auf größeren Flächen für den lokalen Markt produzieren, als das in einem Gemeinschaftsgarten normalerweise möglich ist. Die Anschlüsse werden vielfältiger.

> Postwachstum

Heinberg, Richard (2010): Peak Everything: Waking Up to the Century of Declines. Gabriola Island: New Society Publishers.
Heinberg, Richard (2003): The Party’s Over: Oil, War, and the Fate of Industrial Society. Gabriola Island: New Society Publishers.
Kälber, Daniela (2011): Lebendige Gärten. Urbane Landwirtschaft in Kuba zwischen Eigenmacht und angeleiteter Selbstversorgung. Frankfurt am Main: Peter Lang.

 

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Ernten

Ernten

Ernten ist eine Tätigkeit und ein Geschehen, das Pflanzen und Menschen auf besondere Weise miteinander verbindet. In den Gemeinschaftsgärten ist die Ernte der Höhepunkt einer mitunter Monate dauernden Phase des Anpflanzens, Pflegens, Wachsens und Gedeihens, und damit Teil größerer Ökologien. Ob die Ernte reich oder mager ausfällt, hängt von vielen Faktoren ab: von der Bodenbeschaffenheit, vom Wetter, von Vorhandensein und Aktivität der Tiere in der Umgebung, von der Pflege und natürlich vom Saatgut, um nur einige zu nennen.

Die Ernte wird in Gemeinschaftsgärten einerseits als Belohnung für die Mühe gesehen, andererseits gibt es ein Bewusstsein dafür, beschenkt zu werden, letztlich ist die Pflanze die Manifestation von Überfluss. Stolz und Dankbarkeit halten sich die Waage. Die praktische Dimension der Wertschätzung ist die Umwandlung der Früchte in gutes Essen. Nicht selten haben die Gärtner_innen den Ehrgeiz, ganze Menüfolgen aus der Gartenernte zu bestreiten. Das Essen, das gemeinsam im eigenen Garten angebaut, geerntet, gekocht und verspeist wird, ist in jedem Fall ein Grund zum Feiern und ein guter Anlass, Erntedank in neuer Form zu begehen.

> Gartendinner

 

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FabLab

FabLab

 fablab

FabLabs sind offene Hightech-Werkstätten, ausgestattet mit computergestützten Maschinen wie CNC-Fräse, 3D-Drucker, Lasercutter. Ein FabLab verspricht, im Kleinen das produzieren zu können, was sonst nur in der Fabrik gefertigt werden kann. Vom Konsumenten wieder zum Produzenten zu werden, ist der Traum. Mitunter geht es auch darum, eine größere Unabhängigkeit durch weniger Konsum und mehr Reparatur zu ermöglichen. Das erste FabLab entstand 2001 am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Neil Gershenfeld entwickelte dort unter der Fragestellung „Was brauchen wir, um ‚fast‘ alles herstellen zu können und möglichst viele Materialien auf möglichst vielfältige Weise bearbeiten zu können?“ gemeinsam mit Studierenden das entsprechende Maschinenset.

FabLabs changieren zwischen Entwicklungslabor und Werkstatt. Bisweilen verstehen die Betreiber ihre technologischen Ambitionen auch als bürgerschaftliches Engagement, für manche zeichnet sich in FabLabs gar eine postkapitalistische, auf Kooperation und Gemeingütern basierende Produktionsweise ab. Im FabLab St. Pauli z.B. will man Lösungen für dringende Probleme der Stadt entwickeln. Auf der Website heißt es: „Neben der Entwicklung von Produkten ist die Änderung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse ein wichtiges Thema. Wir brauchen aber auch nachhaltige und innovative Lösungsansätze für Probleme im Bereich Energie (Energy Lab), Müll (Recycling Lab), Verkehr (Mobility Lab) oder Gardening (Botanic Lab). Es ist ein wichtiges Anliegen des FabLabs, die neuen technischen und materialbedingten Möglichkeiten für wichtige gesellschaftliche Fragen nutzbar zu machen.“ (www.fablab-hamburg.org)

Bei der Gründung eines FabLabs geht es also nicht nur darum, (mehr oder weniger) nützliche Dinge zu produzieren, sondern auch um einen Raum für die Community, um einen Raum für die gegenseitige Unterstützung und den Austausch von Wissen, und um die Bezugnahme auf andere, ähnliche Räume. FabLabs sind weltweit vernetzt. Die Charta der Labs legt Spielregeln für die Community fest: Man darf all das produzieren, was niemandem schadet (also z.B. keine Waffen); man soll dokumentieren, was man tut, und man soll das gesammelte Wissen an andere weitergeben.

FabLabs werden insbesondere von Bastlern und von > Makern bevölkert, sie sind bei Männern deutlich beliebter als bei Frauen. Die Mitglieder bewegen sich zwischen technikaffin und technikgläubig. Wichtig sind ihnen Open Source, Open Design und die Demokratisierung der Produktionsmittel. Manche haben durchaus gesellschaftspolitische Ambitionen in Richtung Nachhaltigkeit und Partizipation. Andere wollen einfach nur „spielen“. Wieder andere wollen perspektivisch Unternehmen gründen.

Walter-Herrmann, Julia/Büching, Corinne (Hg.) (2013): FabLab. Of Machines, Makers and Inventors. Bielefeld: transcript.

 

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Fürsorge

Fürsorge

 fuersorge

Charakteristisch für DIY-Projekte ist ein fürsorglicher Umgang mit den Anderen. In die Gärten stellt man Insektenhotels und Marienkäfersuites, ins Internet die Mundraub-Plattform fürs Ernten von öffentlichem Obst. Der pflegliche Umgang beim Ernten der Bäume und Sträucher wird allen Mundräuber_innen dringlich ans Herz gelegt. Die Initiatoren der Website wissen, dass Obstbäume eben nicht „einfach so“ Früchte tragen, dass es vielmehr eines gekonnten Baumschnitts bedarf und darüber hinaus kontinuierlicher Pflege. Fürsorge für die mannigfaltigen Ökologien spielt im DIY insgesamt, besonders aber in Gemeinschaftsgärten, eine zentrale Rolle. Dies trifft natürlich ebenso auf die soziale Ökologie der Projekte zu und prägt das soziale Klima.

Latour, Bruno (2010): Das Parlament der Dinge. Für eine politische Ökologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Mol, Annemarie/ Moser, Ingunn/ Pols, Jeanette (Hg.) (2010):Care in Practice. On Tinkering in Clinics, Homes and Farms. Bielefeld: transcript.

 

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Gartendinner

Gartendinner

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In New York sind Produkte aus urbaner Landwirtschaft hip, im Leipziger Garten Annalinde kochten ambitionierte Köche Mehrgängemenüs unter freiem Himmel zu 99 % aus Gemeinschaftsgartenanbau, und in Berlin lädt der Prinzessinnengarten zu „Wildkräutersalat aus der Wilden Gärtnerei mit warmem Ziegenkäse und Pain Perdu, gebratenen Pilzen mit warmen Bohnen, Hokkaido-Kürbis und französischem Estragon aus dem Garten, dazu die erste Kartoffelernte aus den Sorten Blauer St. Galler und Adretta“.

Essen und Kochen sind mehr denn je Mittel gesellschaftlicher Distinktion: Tafeln in weißer Kleidung vor Opernhäusern, Foodraves, Supper Clubs und Gastrohypes mit exquisiten Zutaten aus der Region demonstrieren öffentlich Kennerschaft und Savoir-vivre. Das Zelebrieren der Genießer-Esskultur und das fortwährende Sprechen darüber hat bereits die Gegenbewegung der Anti-Foodisten auf den Plan gerufen. Sie fordern die Rückkehr zu Bodenständigkeit und „Authentizität“.

Gibt es das Echte bei den Locavore-Menüs in den urbanen Gärten? Die Gartendinner schließen durchaus an den Habitus des Genießens an (wie obige Speisefolge belegt), aber zugleich spielen sie mit dieser Attitüde. Auch steht das Bekenntnis zum Unperfekten saturiertem und raffiniertem Kennertum im Weg. Bei einer Geburtstagsfeier im Prinzessinnengarten musste man sich z.B. infolge fehlender Suppenlöffel mit Strohhalmen behelfen. Die eingeladenen Gäste trugen es mit Fassung.

 

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Gartenmanifest

Gartenmanifest

 

Das Manifest der neuen urbanen Gartenbewegung wurde gemeinsam von Gartenaktivist_innen und Forscher_innen initiiert. Es nimmt dezidiert Stellung gegen die zunehmende kulturindustrielle Vereinnahmung der Subsistenzprojekte durch Werbung und will ihr ein politisches Selbstverständnis entgegensetzen. Das Manifest ist zudem der erste überlokale Versuch, mit Stadtplanung und Verwaltung in einen produktiven Dialog zu treten. Die gemeinsame Erklärung mit dem Titel „Die Stadt ist unser Garten“ wurde 2014 beim Sommercamp der urbanen Gärten verabschiedet. Seither wird es von Garteninitiativen unterzeichnet. 

 

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Gartenumzug

Gartenumzug

 gartenumzug.rosa-rose-berli

Als gekonnte mobile Installation präsentierte sich der Umzug des Berliner Gemeinschaftsgartens „Rosa Rose“ in Berlin. Die Besetzerinnen inszenierten den Abtransport der vielen, zum Teil großen Pflanzen als Schauspiel, in das auch die Passanten einbezogen wurden, als sie ihr Gelände 2009 räumen mussten. Weil die Pflanzen ausschließlich auf Fahrrädern (auch Lastenfahrrädern) transportiert wurden, formte sich ein bis dato noch nicht gesehenes und nur für kurze Zeit bestehendes eigenartiges Gebilde aus sich langsam hintereinander fortbewegenden Pflanzen-Arrangements, in die ihre phantasievoll gekleideten Fahrerinnen praktisch eingehüllt waren. Die Prozession hatte etwas Karnevaleskes und blieb als Spektakel allen Beteiligten noch lange im Gedächtnis.

 

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Gentrifizierung

Gentrifizierung

 

Steigende Immobilienpreise, räumliche Verdrängungsprozesse, Austausch von sozialen Milieus, Homogenisierung: Phänomene wie diese beschreiben den Prozess der Gentrifizierung. Durch die Aufwertung von innerstädtischen Quartieren werden die unteren Mittelschichten und die sozial Schwachen in die Außenbezirke abgedrängt; während der Zuzug der „Gentry“ (englisch für die Klasse der Landeigentümer) in die immer teurer werdenden innerstädtischen Quartiere anhält.

Tragen auch die urbanen Gemeinschaftsgärten zum sozialräumlichen Wandel bei? In Frankfurt oder Berlin werben Investoren bereits für exklusive Eigentumswohnungenmit dem Hinweis, “ganz in der Nähe vom urbanen Garten im Quartier gelegen”. Gentrifizierungsprozesse vollziehen sich insbesondere dann gegenläufig zu den Intentionen zivilgesellschaftlicher Akteure, wenn die Stadtpolitik die Privatisierung zum Programm erhoben hat. Doch dieser Abschöpfungsprozess der Marktakteure stößt zunehmend auf Widerstand. In Berlin fordert die Initiative „Stadt Neudenken“ ein Moratorium für Liegenschaftsverkäufe und eine Neuausrichtung der Bodenpolitik. Im > Manifest „Die Stadt ist unser Garten" fordert die neue urbane Gartenbewegung von den Kommunen, den prekären rechtlichen Status der Gemeinschaftsgärten zu verbessern und nicht nur den monetären Wert ihrer Flächen, sondern auch deren Bedeutung für den Stadtraum und die Stadtgesellschaft zu wertschätzen. Eine Stadt für alle benötigt Freiraum und ein Bewusstsein öffentlicher Flächen als Gemeingüter.

www.urbangardeningmanifest.de

http://stadt-neudenken.tumblr.com

 Holm, Andrej (2010): Wir bleiben alle! Gentrifizierung – Städtische Konflikte um Aufwertung und Verdrängung. Münster: Unrast.
Twickel, Christoph (2010): Gentrifidingsbums oder eine Stadt für alle. Hamburg: Edition Nautilus.

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Guerilla Gardening

Guerilla Gardening

 guerilla-gardening.leipzig

Guerilla Gardening ist Straßenkampf mit sanfter Munition. In subversiver Manier werfen Unbekannte (selten nachts und meist ohne Sturmhauben) Saatbomben in unwirtliche urbane Räume und bepflanzen den öffentlichen Raum ohne behördliche Erlaubnis. Frühe Formen finden sich bei der New Yorker Künstlerinitiative Green Guerillas, die in den 1970er Jahren zivilen Ungehorsam praktizierte und vernachlässigte Stadtteile in Eigeninitiative lebenswerter gestaltete. Zeitgleich eroberten in deutschen Städten viele türkische Einwander_innen die Brachflächen; ihr Stangenbohnenanbau hat sich vielerorts in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben. Auch sie fragten nicht um Erlaubnis, sondern nutzten freie Flächen temporär und pragmatisch für ihre Selbstversorgung. Für die Guerilla Gardeners von heute ist das Anlegen von Blumenbeeten in Baumscheiben oder Mini-Kartoffelackern in erster Linie eine symbolische Intervention im öffentlichen Raum, der befreit werden soll von der einseitigen Besetzung durch Shopping Malls und motorisierten Individualverkehr. Guerilla Gardening ist eine Unterströmung der > Urban Gardening-Bewegung.

 

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Guerilla Knitting

Guerilla Knitting

 guerilla-knitting.muenchen

Guerilla Knitting funktioniert wie > Guerilla Gardening, aber mit Wolle. Hinter beiden Aktionsformen steckt der Anspruch auf ein Recht auf Stadt. Traditionelle Handwerkstechniken migrieren in Deutschland seit 2010 aus den Privathaushalten in den öffentlichen Raum. Dieser wird durch die Guerilla-Aktion neu kodiert. Die künstlerisch umgedeuteten Sites irritieren den Blick der Passanten. Sie provozieren bei den Betrachtern häufig ein zweites Hinschauen und damit eine veränderte Wahrnehmung. Das eigenmächtige Einstricken und Einhäkeln von öffentlichen Gebäudeteilen oder Denkmälern oder das temporäre Versiegeln von Plätzen durch gestrickte Riesennetze liefern instruktive ästhetische Kommentare zu Beschaffenheit und Materialität des öffentlichen Raums und zu der Frage, wer bestimmt, wie er aussieht. Ein aufschlussreiches Beispiel für Handarbeit als Aktivismus (Critical Crafting Circle 2011) ist das Münchener Künstlerinnen-Duo „Die Rausfrauen“.

Schmitz, Sissi/ Hermina, Ina (2013): Das Rausfrauenbuch. Eine praktische Einführung in queere Verstrickungen, geschmackvolle Garderobe und kreative Küche. Stuttgart: Topp Lab.

 

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Habitus

Habitus

 habitus.annalinde-leipzig 2

DIY ist auch ein Habitus. Man legt selbst Hand an die Dinge, die man trägt und an die, mit denen man sich umgibt. Man kuratiert sich selbst und lässt sich von den dabei entstehenden Formen überraschen. Dabei grenzt man sich vom Mainstream ab. Was in Boutiquen und Kaufhäusern als Markenware up to date, vor allem aber, was businesslike oder Funktionskleidung ist, wird tendenziell gemieden: Die Verkörperungen von Leistungsfähigkeit und Glätte, von kernig-aggressiver Sportlichkeit, die vermeintliche Noblesse kostspieliger Accessoires – kurzum – das ganze Spektrum bürotauglicher Marken-Outfits ist vor allem insofern interessant, als es als distinktive Folie im Hintergrund mitläuft.

DIYler vermeiden gekonnt, sich in ein selbstgebautes habituelles Gefängnis zu begeben und sich zu eng an bestimmte streng reglementierte Dresscodes zu halten. Ihr Habitus ist in gewisser Hinsicht unvorhersehbar und durch die Freude am Sich(ver)kleiden geprägt. Man ist auch nicht aufgerufen, sich ständig über Kleidung auszudrücken und es damit zu ernst zu meinen. Vor allem die Frauen kombinieren phantasievoll und unkonventionell. Sehgewohnheiten werden, wie es scheint, mit Vergnügen durch gewagte Kombinationen irritiert. Außerdem wechselt man gerne. Mal wird durch bestimmte Kleider, Blusen und Zöpfchen ein naives Gartenidyll heraufbeschworen, dann erscheint frau wieder im Blaumann oder in Tank Top und Military-Hose. Bei den Frauen werden viele Feminitäten durch Kleidung und durch Körperpolitik aufgerufen und re-inszeniert. Männer betreiben deutlich weniger Aufwand. Hier dominieren die relaxte Schiebermütze, zerbeulte alte Hosen und irgendwelche Shirts. Es dürfen nur keine zu lauten Claims aufgedruckt sein. Alles friedlich und laid-back. Viele Männer tragen Bärte, niemals Haargel oder gar eine trendige und vom Profi geschnittene Frisur. Dazu werden Stofftaschen getragen.

Der entspannten und unaggressiven körperlichen Haltung entspricht ein kooperatives soziales Miteinander: Man vertraut vieles der Interaktion mit anderen an und nicht dem großen Plan. Der Perfektionismus und das Akkurate als Antriebskraft sind zugunsten einer großen Freude am Machen und einem aus der konkreten Erfahrung entspringenden Gefühl von Souveränität ad acta gelegt.

 

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Handwerk

Handwerk

 handwerk

Handwerk gilt auch als Lebensform. Handwerkern wird der Wunsch bzw. das Ethos nachgesagt, eine Sache um ihrer selbst willen gut zu machen. Präzision, Konzentration und Geduld heißen die entsprechenden Tugenden, mit denen zu Werke gegangen wird. Die Arbeit hat ihre subjektive Zwecksetzung auch in sich selbst, statt nur den Lebensunterhalt sichern zu sollen. Mit Bezugnahme auf Hannah Arendt argumentiert Richard Sennett (2009), dass das Handwerk für Menschen eine Möglichkeit ist, sich Kraft der Kreativität ihres Handelns in der Welt ein Zuhause, eine > Heimat zu schaffen.

DIY verhilft dem Handwerk zu einer neuen Wertschätzung. Es geht hier allerdings nicht (wie bei Sennett) um das Lob des Handwerklichen an und für sich, sondern um eine Verbindung bzw. Hybridisierung des Handwerklichen mit zahlreichen anderen Kreativitäten. Der Eingriff in die Welt der Dinge und der Eingriff ins eigene Leben mit all seinen, auch politischen Facetten werden im DIY/DIT eins. Die Philosophin Christine Ax betont, dass handwerkliche (wie praktisch-technische, musische und schöpferische) Fähigkeiten resiliente Wirtschaftsweisen ermöglichen, die wenig(er) Ressourcen verbrauchen.

Ax, Christine (2009): Die Könnensgesellschaft. Mit guter Arbeit aus der Krise. Berlin: Rhombos.
Sennett, Richard (2009): Handwerk. Berlin: Berlin Verlag.

 

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Heimat

Heimat

 

Heimat meint die Bindung von Menschen an einen vertrauten Ort. Auch heute, in Zeiten der Globalisierung und der biografischen Normalität des räumlichen Wechsels und Pendelns, gibt es unvermindert Praxen der Beheimatung. Die Gewinnung und Kultivierung eines eigenen Lebens- und Erfahrungsraums scheint auch jenseits ihrer sentimentalen Verklärung und politischen Instrumentalisierung ein zentraler Teil von Kultur überhaupt zu sein und ist niemandes Privileg. Mit den neuen DIY-Räumen entstehen Orte und Zusammenhänge, die viele gerne aufsuchen. Gerade ihre Offenheit, ihre Affinität zum Leib und der Umstand, dass sie ihren Nutznießern nichts Bestimmtes abverlangen, sondern mehr geben als nehmen, lässt allmählich eine Identifikation und Verbindungen mit ihnen wachsen, die man als vielfältige Beheimatungen verstehen kann.

Die Rückseite der Globalisierung ist die Lokalisierung. Die beiden Begriffe bezeichnen keinen Widerspruch, sondern Entgrenzungs- und Begrenzungsprozesse, die wechselseitig aufeinander bezogen sind und deren Logik eine subjektiv gelebte ist. In diese Dynamik und Komplexität hinein wirken DIY-Räume, indem sie globale Verbindungen schaffen und die Bildung von Communitys weltweiter Reichweite begünstigen, andererseits sind sie klar verortet, verdichtet und begrenzt. Ihre Selbstbeschreibung als > nomadisch betont den Pol räumlicher Bewegung und Entgrenzung. Es entspricht nicht dem Lebensgefühl der jungen Kosmopolitanen, für immer und ewig räumlich festgelegt zu sein. Und doch entstehen die Orte aus einem Bedürfnis nach Beheimatung. Sie liefern Zeugnis ab für das Begehren, den verschiedenen Aspekten seiner selbst und vielen anderen ein gutes Zuhause zu schaffen, eine neue und eher unsentimentale Form von Heimat.

Gebhard, Gunther/ Geisler, Oliver/ Schröter, Steffen (Hg.) (2007): Heimat. Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts. Bielefeld: transcript.

 

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Hühner

Hühner

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Einige Gemeinschaftsgärten experimentieren inzwischen mit städtischer Tierhaltung, > Bienen sind in fast allen zu Hause, beliebt sind darüber hinaus auch Hühner. Nach Auskunft der Gärtner_innen erwirtschaften die Hühner ihren Lebensunterhalt (sprich ihr Futter) übers Eierlegen mit etwas Glück selbst. Natürlich sind auch bei der Hühnerhaltung alte Rassen beliebt und die Aufspaltung in der Züchtung zwischen Eierproduzenten und Fleischlieferanten wird nicht toleriert.

 

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Improvisieren

Improvisieren

 improvisieren

DIY-Projekte sind nicht in erster Linie durch Planung, Institutionalisierung und Routinisierung bestimmt. Vielmehr werden Antworten auf Unbestimmtheit in der Improvisation gesucht. Den großen Plan und oft auch die klare dauerhafte Zuständigkeit gibt es hier nicht automatisch und Hierarchie nur begrenzt. Auftauchende Probleme setzen ein Ausprobieren in Gang. Man weiß im Vorhinein nicht, wohin der eingeschlagene Pfad führt, man erfährt es unterwegs. Fehler werden toleriert, Scheitern ist erlaubt. Irgendwie wird es schon. Genauso auch die Architektur der Dinge, mit denen ebenfalls improvisiert wird. Sie sind hier aus dem Zwangskorsett der Eindeutigkeit entlassen. Man traut ihnen vieles zu. Je nach Bedarf und Wunsch werden sie zusammengesucht, zusammengebaut und genutzt, mit eigenem ästhetischem Gespür. Dinge dienen hier nicht nur einem bestimmten Zweck, sondern es verändert sich je nach Situation der Blick auf sie und das Spiel mit ihnen. Man sieht sie in einem anderen Licht und verbaut sie neu.

Ähnlich verhält es sich mit den personalen Zuschreibungen. Sie variieren nach Bedarf. Vieles wird situativ ausgehandelt und entschieden. Grobe Zuschreibungen gibt es, die Feinheiten finden sich. Für viele der anfallenden Arbeiten akquiriert man geschickt helfende Hände. So wird z.B. periodisch zu Pflanzaktionen aufgerufen. Was während dieser Aktionen mitunter chaotisch anmutet, ordnet sich immer wieder und funktioniert irgendwie. Niemand wüsste die Grenze der DIY-Projekte klar zu bestimmen. Sie dehnen sich aus und schrumpfen dann wieder, fast könnte man sagen, sie atmen.

Dell, Christopher (2012): Die improvisierende Organisation. Management nach dem Ende der Planbarkeit. Bielefeld: transcript.

 

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Interkulturelle Gärten

Interkulturelle Gärten

 

Internationaler Stadtteilgarten HannoverInternationaler Stadtteilgarten Hannover, Foto: Cornelia Suhan StadtLandschaften der Migrationsgesellschaft Seit Anfang der 90er Jahre bereichern Interkulturelle Gärten das Einwanderungsland Deutschland. In Interkulturellen Gärten begegnen sich MigrantInnen und Deutsche aus unterschiedlichen sozialen Milieus und Lebensformen. Beim gemeinsamen Bewirtschaften von Land mitten in der Stadt entstehen neue Verbindungen und Zugehörigkeiten.Kosmopolitan und transkulturell Interkulturelle Gärten gibt es heute in vielen Städten Deutschlands und in anderen europäischen Ländern. In einem Interkulturellen Garten verhandeln Akteure aus bis zu 20 Herkunftsländern ihre Wirklichkeit täglich neu. Aus der lebendigen - und keineswegs immer konfliktfreien - Praxis des gemeinsamen Gärtnerns ergeben sich quasi organisch weitere Schritte in die Mehrheitsgesellschaft.

Stadtökologie
Interkulturelle Gärten nutzen städtische Freiräume und sorgen für Artenvielfalt und ein besseres Mikroklima im Quartier. Sie zeigen: Eine andere Stadt ist möglich. Umweltschutz wird hier fast beiläufig betrieben. Das Säen, Ernten und Kompostieren ohne Chemie sensibilisiert für weitere Umweltthemen. Die hier erprobten Methoden setzen Impulse für transkulturelle Formen der Umweltbildung.

Überfluss statt Mangel
Viele MigrantInnen bringen Erfahrungen in Gartenwirtschaft und Handwerk mit, ebenso wie soziale Kompetenzen. Der Austausch vervielfältigt das vorhandene Wissen. Gärten sind zudem ein wirksames Mittel gegen Mangel. Sie ermöglichen Überfluss, sie regen zum Schenken und Tauschen an. Ganz nebenbei entsteht der Boden für eine produktive Beziehung zu sich selbst und zu anderen.

Partizipation
EinwanderInnen fühlen sich hierzulande vielfältig benachteiligt. Die tagtäglichen Diskriminierungen werden präzise wahrgenommen und führen oft zu Entmutigung und Abschottung. Ein Interkultureller Garten zeigt Auswege aus dem „Ghetto des Andersseins“ auf. Nach und nach kann hier das vielseits vermisste bürgerschaftliche Engagement von MigrantInnen Raum greifen.

Gut leben
Ein Picknick an der frischen Luft genießen, grillen, frisch geerntetes Gemüse zubereiten: Das gute Leben ist eine der ganz starken Seiten der Interkulturellen Gärten. Beim Marmeladekochen, Honig ernten oder Rezepte austauschen werden Erinnerungen wach und mit sinnlichen Dimensionen verknüpft.

Gemeinschaft
Am Schnittpunkt von Natur, Kultur und Sozialem wird die Migrationsgesellschaft jede Gartensaison neu erfunden. Gemüseanbau allein reicht nicht. Es gilt, Differenzen und Gemeinsamkeiten zu entdecken, zu deuten und auszudrücken. Ein neues „Wir“ entsteht im interkulturellen Zwischenraum.

 

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Kartieren

Kartieren

 

Wie andere Medien der Abbildung sind Karten in Besitz- und Machtverhältnisse verwoben. Karten zeigen und perpetuieren Aneignungs- und Nutzungsprozesse von Land und waren insbesondere in der Kolonialzeit ein wichtiges Herrschaftsinstrument. Immer noch existieren jene Darstellungen, die u.a. den afrikanischen Kontinent im Vergleich zu Europa und Nordamerika nicht getreu seiner wahren geographischen Größe zeigen (z.B. Mercator-Projektion). Heute haben sich vielerorts, z.B. in Südamerika, Ansätze einer kritischen Kartographie herausgebildet, die die Politik der Missrepräsentationen thematisieren und die bislang nur „Dargestellten“ selbst als Kartograph_innen ermächtigen.

Auch in verschiedenen DIY/DIT-Projekten werden partizipative Kartierungen eingesetzt, um sich in kollektiven Prozessen räumlicher Bewusstwerdung Besitzverhältnisse, aber auch Freiflächen und offene Räume vor Augen zu führen und diese dann mit interessierten Anwohnern zu vernetzen.

Orangotango (2012): Handbuch Kollektives Kritisches Kartieren. Ein Wegweiser für gemeinschaftliche Betrachtung der Veränderung unserer Territorien des Alltags. Berlin: Eigenverlag.

 

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Kinder

Kinder

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„Karotten wachsen im Dreck? Igitt, das esse ich niemals“ ist keine ungewöhnliche Reaktion von Großstadtkindern auf ihre erste Begegnung mit dem Gemüseanbau, die sich aber meist recht schnell verliert, wenn sie mehr Zeit im Garten verbringen. Kinder, die mit Gärten aufwachsen, eigene Beete bepflanzen dürfen (am liebsten mit Erdbeeren), entwickeln oft ein sensibleres Verhältnis zu Pflanzen und Tieren und womöglich auch zu Nahrungsmitteln insgesamt als Kinder ohne diese Erfahrung. In Gemeinschaftsgärten finden sie außerdem Ersatz für Naturnähe und „Wildnis“, die in den Städten immer mehr verloren gehen. Die Erfahrungsspielräume, vielmehr der Radius, in dem sich Kinder bewegen können, hat sich in den letzten Jahrzehnten sukzessive verengt. Ihr Alltag ist hochgradig verregelt, undefinierte Spielplätze gibt es kaum noch.

In Gemeinschaftsgärten kommt ihr Entdeckergeist voll auf seine Kosten, Begegnungen mit Wurm und Huhn, Biene und Samen, Kraut und Rüben sind hier alltäglich. Jenseits aller (umwelt-)pädagogischen Ambitionen (der Erwachsenen) ist der Garten ein Freiraum, den sie selber definieren und in dem sie sich der elterlichen Kontrolle einmal entziehen können. 

 

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Kleidertausch

Kleidertausch

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Kleidertausch als Partyevent – z.B. organisiert von Green City in München: Eintritt drei Euro, dafür gibt es an der Theke ein Getränk. Mitgebrachte Kleidung und Accessoires (keine Bedingung) können sortiert nach Hosen, Blusen, Mänteln, Schmuck etc. auf die bereitgestellten Kleiderstände und Tische verteilt werden. Es herrscht ziemliches Gewusel, reges An- und Ausprobieren. Viele junge Leute sind da, mehr Frauen als Männer. Von einer Couchgarnitur am Rand aus kann man dem Treiben zusehen, wie sonst bei Partys dem Geschehen auf der Tanzfläche. Später wird auch Musik aufgelegt. Die Atmosphäre ist gut gelaunt und entspannt. 

 

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Knit Nite

Knit Nite

 Knit-Nite-Muenchen.CM

Nie Stricken gelernt? Der Vater konnte gerade einmal eine Glühbirne auswechseln? Viele junge Großstadtbewohner_innen hatten weder Werkunterricht noch Eltern mit Zeit oder Ambition für die Vermittlung von handwerklichem Wissen. Das wird jetzt nachgeholt, in > Repair-Cafés, > offenen Werkstätten und Knit Nites. Bei Dämmerlicht und einem Bier zwischen den Knien wird im Peer-to-Peer-Verfahren Stricken und Häkeln erlernt. In München finden Knit Nites zuweilen in Abbruchimmobilien statt. Ihr Motto: Just Beer and Knitting. Unplugged. Außerdem neu: Immer mehr Männer entdecken das Stricken für sich.

http://knitnite.de

 

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Kollektivität

Kollektivität

 kollektivitaet

Spielt in der DIY-Szene eine zentrale Rolle: Urbane Subsistenz kann nur ein gemeinschaftliches Unterfangen sein. Mehr Autonomie ist bloß im Plural zu haben, dann, wenn es gelingt, Prozesse in Gang zu setzen, die die einzelnen auch tragen. Manche der Protagonisten erleben das so: dass nicht nur ihre Lebenszufriedenheit, sondern auch das Gefühl des Aufgehobenseins wächst, je mehr sie selber können, je mehr Leute sie kennen, die über handwerkliches und technisches Wissen verfügen.

Die Entwicklung vom Do it yourself zum Do it together ist der wichtigste Unterschied zwischen DIY früher und heute. Und eine gewisse Leichtigkeit: Die Alternativen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts agierten zwar auch mit Bezugnahme auf ein Kollektiv, hatten aber kompakte Weltbilder im Gepäck, und dadurch waren ihre Koffer auch oft sehr schwer. Die neuen Selbermacher_innen sind pragmatischer und unideologischer, auch nachgiebiger mit sich selbst.

Ziemer, Gesa (2013): Komplizenschaft. Neue Perspektiven auf Kollektivität. Bielefeld: transcript.

 

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Kooperation

Kooperation

 kooperation

Ist der soziale Modus vivendi des DIY. Man kann auch alleine stricken, basteln und gärtnern, aber mit anderen gemeinsam gewinnt es eine neue Qualität. Kooperation wird oft über Crowd-Sourced Websites oder soziale Netzwerke organisiert, es ergeben sich aber auch Kooperationen über das Teilen von Räumen. Die Erzeugung einer Dichte, die sich begünstigend auf das Entstehen von Kooperationen auswirkt, ist der Zweck eigens ins Leben gerufener Events wie Messen, Festivals oder Aktionen, zu denen per Plakat und via Netz aufgerufen wird. Menschen kommen in bestimmter Absicht zusammen, der Rest ergibt sich von selbst.

Diese offene Haltung manifestiert sich auch in der vehement vertretenen Forderung, alle Wissensquellen frei zugänglich zu machen (Access to Knowledge). Man selbst trägt aktiv dazu bei und stellt Baupläne, Anleitungen und andere Wissenspartikel frei zugänglich ins Netz. Es ist dann nur konsequent, die Vorstellung einer klar zuschreibbaren Urheberschaft zu verabschieden. Als Gegenentwurf unterstützt man die Vorstellung und das Reglement der Creative Commons, das Möglichkeiten des Einschlusses und der Teilhabe zu finden sucht. 

 

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Körper

Körper

 

Das DIY kennt viele Körper(-aktivitäten). Symbolisch-semiotische Arbeiten werden mit solchen, die körperlichen Krafteinsatz, Geschick oder Geduld fordern, verbunden. Und natürlich fließt beides in eine lebendige Sozialität mit und ohne Smartphone oder Notebook ein, in der die Gruppe und die von ihr beanspruchten Körper eine wichtige Rolle spielen. Am ehesten sind die DIY-Körper Künstlerkörper, die Installationen und Skulpturen, Dinge bauen. Alle Sinne sind beteiligt, alle sollen zu ihrem Recht kommen.

Dabei grenzt man sich von der Hegemonie des Sehens, wie sie in der Bildenden Kunst lange etabliert war, bewusst ab, man möchte den vielen Körpern und Sinnen entsprechen. Die körperleiblichen Zustände, die im DIY aufgerufen werden, sind vielfältig und nicht nur angenehm. Manchmal ist Schlemmen und Genuss angesagt, dann wieder Schinderei, mitunter ist DIY auch langweilig. Doch um die Ecke warten schon mannigfaltige Belohnungen für die Mühe. Bei den Bastlern ist es der Stolz auf das Selbstgebaute und ein souveränes Lebensgefühl. Bei den Gärtnern ist es alles, was mit Erde, Pflanzen und dem Miteinander im Grünen zu tun hat. Auch viel Überschwang und Witz ist im Spiel. 

 

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Kreativität

Kreativität

 kreativitaet

Das ästhetische Handeln, das sich im DIY/DIT artikuliert, wendet sich gegen die entästhetisierende Logik der rationalen Moderne, vor allem ihrer Stadtarchitektur und ihrer industrialisierten materiellen Kultur. Man hat ein Empfinden dafür, dass die Rationalität der Moderne zahlreiche Bedürfnisse der Menschen, und erst recht der Tiere und Pflanzen, verfehlt. Doch das DIY wendet sich genauso gegen die neuen Kreativ-Regimes der ästhetischen Ökonomie, die auf das einzelne Subjekt abzielen und dieses mit einem unstillbaren Begehren nach Kreativität aufladen. Dieses ästhetisch durchgestylte, therapeutisierte und womöglich gecoachte Subjekt des Marktes teilt mit den Commonisten zwar das Medium der Ästhetik. Doch geht es im DIY/DIT stets um das Kollektiv und eine Ästhetik jenseits jeder Forderung und Leistung, eine Kreativität, die sich selbst genügt und der die Welt und das, was da ist, ausreicht.

Statt der mit dem Subjekt aufs engste verbundenen Kreativität entstehen hier viele, nur locker mit dem Einzelnen verbundene Kreativitäten. Das genial-heroische Kreativ- und Unternehmersubjekt oder das über kreative Handlungen sich seiner selbst vergewissernde Subjekt sucht man hier vergebens. Stattdessen geht es den Commonisten des DIY/DIT um ein Unterlaufen dieser Subjektivitäten und um immer wieder von neuem angestoßene Prozesse sozialer Verbindung.

Reckwitz, Andreas (2012): Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung. Berlin: Suhrkamp.
Reckwitz, Andreas (2008): Subjekt. Einsichten. Themen der Soziologie. Bielefeld: transcript.

 

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Kunst

Kunst

 kunst

Die sich in den letzten Jahrzehnten weiter entgrenzende und politisierende Kunst ist vermutlich die größte Quelle der Inspiration für das DIY. Die Form des räumlichen Bezugs, die Kapazität für Szenographie und Installationen bieten mannigfaltige Anknüpfungspunkte: Die offene und nicht scharf konturierte, temporäre Form des Projekts als Lebens- und Arbeitszusammenhang, der ambivalent-prekäre Freelance-Status, der ganz und ungeteilt beteiligte Künstlerkörper, der mit vollem Einsatz all seiner Vermögen und vermittels vieler Kreativitäten entschieden ins Weltgeschehen interveniert. Habitus und Subjektivitäten der „Kunstzone“ öffnen Möglichkeiten, die im DIY eine spezifische Besetzung und Weiterentwicklung finden.

Dabei ist DIY ebenso viel oder wenig Kunst wie es Wissenschaft, Technik, Wirtschaft oder Politik ist. Das Crafting und Making verbindet Normen, Sinnbestandteile und Leiblichkeiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen und unterwandert die Abgrenzung. Man entzieht sich der eindeutigen Bezeichnung, etwa durch die Selbstbeschreibung als > Dilettant.

Granzer, Susanne Valerie/ Ingrisch, Doris (Hg.) (2014): Kunst_Wissenschaft: Don’t Mind the Gap! Ein grenzüberschreitendes Zwiegespräch. Bielefeld: transcript.

 

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Kuratieren

Kuratieren

 kuratieren.allemende-kontor

Im DIY-Kontext versteht man sich aufs Ausstellen und Anordnen von Dingen und Menschen im Raum. Die so entstehenden Fügungen, Ordnungen und Atmosphären sind zum Begehen, Begreifen und Beatmen, zum Umstoßen und Neumachen gedacht. Im Gegensatz zu virtuellen Realitäten (etwa des Computerspiels) ist das DIY dingbasiert, unperfekt, nicht stabil, nicht berechen-, nicht reduzier- und also nicht reproduzierbar. Das DIY braucht die radikale Offenheit der Situation. Es geht nicht um die Erfahrung des Machens als etwas Abgrenzbares, sondern um die größtmögliche Freiheit. Man führt die Rede von der Unveränderbarkeit der gegenwärtigen Situation praktisch und mit viel Freude daran ad absurdum. 

 

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Landraub

Landraub

 landraub

Land Grabbing bezeichnet den in Afrika und Asien im großen Stil stattfindenden Transfer fruchtbaren Agrarlands durch ausländische Investoren. Seit einigen Jahren verschärft sich der ungleiche Kampf zwischen Kleinbauern und Großanlegern, die sich nicht selten mit kriminellen Mitteln Land für das Offshore-Farming aneignen. Angebaut werden auf den oftmals ertragreichsten Flächen dann keine Nahrungsmittel mehr für die einheimische Bevölkerung, sondern Cash Crops wie Getreide und Mais für den Fleisch- und Treibstoffe-Weltmarkt.

Fruchtbares Land ist so weltweit zu einem knappen Gut geworden. Urban Gardening-Akteure empfinden es als unethisch, für den westlichen Fleischkonsum Flächen in den Ländern des Südens zu belegen. Der eigene Anbau scheint ihnen als ein erster praktischer Schritt, um lokale und globale Lösungen zu finden. Einige der urbanen Gartenaktivisten verstehen sich zudem als Teil der weltweiten Kleinbauernopposition. > Boden

http://viacampesina.org/en

Bommert, Wilfried (2012): Bodenrausch: Die globale Jagd nach den Äckern der Welt. Köln: Eichborn.

 

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Lasercutter

Lasercutter

 

Der Lasercutter ist neben 3D-Drucker und CNC-Fräse die dritte im Bunde der computergesteuerten Maschinen im FabLab. Arbeitet zweidimensional, graviert in Holz, Metall, Kunststoff oder schneidet das Material. Auch für diesen Typ von Maschine werden inzwischen Open Source-Modelle entwickelt (z.B. Lasersaur: https://github.com/nortd/lasersaur).

 

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Lastenfahrräder

Lastenfahrräder

 lastenfahrrad

Unter der Überschrift „Postfossile Mobilität“ und „Geteilte Infrastruktur“ – „irgendeine Form von Räderwerk brauchst du“ – bauen sich viele der Projektakteure eigene Lastenfahrräder. Im Lastenfahrrad verbinden sich mehrere Anliegen. Mit einem Lastenfahrrad unterwegs zu sein, bedeutet, dass man einsammeln kann, was einem Nützliches auf dem Weg durch die Stadt begegnet. Sie unterstützen das Urban Mining also perfekt und sind ihrerseits oft ein Ergebnis davon: Vor manchem Lastfahrradbau-Workshop steht ein Streifzug durch die Gemeinde, um herren- (und frauen-)lose Fahrräder zu „erbeuten“.

Lastenfahrräder sind beliebt, weil sie umweltfreundlich sind, im Vergleich zu Handkarren die richtige Geschwindigkeit haben und eine perfekte Verbindung zwischen großer und vielfältiger Last und eigener Tätigkeit schaffen. Dass man so viel mittels eigener Körperkraft bewegen kann, fühlt sich gut an. Auf kurzer bis mittlerer Strecke sind sie unschlagbar im Vergleich zu anderen Vehikeln. Es kommt immer auf die richtige Ausstattung an, einen Regenschutz beispielsweise sollte es schon geben. Lastenfahrräder werden von der Community laufend weiterentwickelt bzw. angepasst.

werkstatt-lastenrad.de

 

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Logo

Logo

 anstiftung diy lexikon logowiese

 

Jedes Projekt hat eines. Ohne Marke geht nichts.

Nachfolgend einige Logos zur Inspiration.

 

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Maker

Maker

 maker.ODC-berlin

Maker arbeiten mit computergesteuerten Werkzeuge, entwerfen am Bildschirm und nutzen zunehmend Desktop-Werkzeuge für die Fertigung. Sie gehören zur Web-Generation, stellen ihre Entwürfe automatisch online, entwickeln sie in Online-Communitys weiter und nutzen genormte Dateistandards, um sie von kommerziellen Dienstleistern produzieren lassen zu können (Anderson 2013, S. 33). Sie verstehen sich selbst als Pioniere und als Protagonisten der dritten industriellen Revolution und arbeiten daran, den Herstellungsprozess von physischen Gegenständen dem Herstellungsprozess von digitalen Produkten anzunähern. Sie prognostizieren, dass sich die Produktion von industriell gefertigten Gebrauchsgütern in die Industrieländer zurückverlagern, dass viele kleine Fabriken die Megafabriken ablösen werden und dass im Prinzip allen der Zugang zur Produktion der Dinge offen stehen wird.

Die digitale Hightech-Fertigung werde es perspektivisch allen Menschen erlauben, „nach Bedarf große Fabriken für die eigene Herstellung zu nutzen“ (ebd., S. 82). Oder auch, eigene Fabriken zu gründen. Anderson nennt das, den Geist des DIY zu industrialisieren. Maker arbeiten außer am Bildschirm auch gerne in „Makerspaces“, das sind gemeinsam genutzte Produktionsstätten (weltweit ca. 1000, auch FabLabs), meist örtliche Gemeinschaftsprojekte, aber es gibt auch bereits eine Kette namens „TechShop“, die Werkstätten betreibt, wo man Mitglied werden kann wie in einem Fitnessclub (Anderson 2013, S. 30f.).

Maker waren, so Anderson, einst Konsumenten, die etwas haben wollten, was es noch nicht gab. Deshalb haben sie es selbst gemacht. Dass sie zu Produzenten wurden, hat ihre Konsumorientierung aber nicht grundlegend verändert. Sie optimieren das industrielle Prinzip, sie stellen es nicht, wie DIY/DIT, infrage.

Anderson, Chris (2013): Makers. Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution. München: Hanser.

 

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Medien

Medien

 medien.opflanzt-is-muenche

Der Umgang mit Medien ist Teil des DIY bzw. des Commoning in und zwischen den verschiedenen Projekten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang das Internet, dessen Medienökologien der Kommunikation eine Struktur verleihen. > Soziale Netzwerke Die DIY-Akteure wechseln bruchlos zwischen der Face-to-Face-Interaktion und der medial vermittelten hin und her. Hat man z.B. etwas gebaut, fotografiert man es und lädt es ins Netz, um es mit anderen zu teilen. Braucht man Hilfe bei der Bestimmung einer gefundenen Pflanze, ist es auch in diesem Fall naheliegend, sie zu fotografieren und online zu stellen. Andere kennen sie vielleicht. Es lohnt jedenfalls den Versuch. Die lokal verorteten und räumlich begrenzten Interaktionen werden um entgrenzte Peer-to-Peer-Beziehungen ergänzt. Auf diese Weise entstehen vielfältige lokal-globale Zusammenhänge, die zu gegebenem Anlass und temporär begrenzt als Bewegung in Erscheinung treten können.

Das Verhältnis zu den Printmedien ist gänzlich anders gelagert als das zum Internet. Vor allem die großen Zeitungen und Zeitschriften sind vom DIY fasziniert und haben es als Thema entdeckt. Das betrifft vor allem die Gemeinschaftsgärten, die als Orte visuell oftmals mehr hergeben als Werkstätten. Die Gemeinschaftsgärtner bedienen das Interesse der Printmedien im Allgemeinen gerne. Sie sehen es als Ressource, die früher oder später von Nutzen sein kann. Auch ist es ihnen ein Anliegen, für ihr Projekt und ihre Sicht der Dinge ein Publikum zu finden. Sie lernen nach und nach, als Interviewpartner und Fotomotive zu agieren. Versiert produzieren sie Verwertbares und machen gerne mit beim Spiel der Medien.

Zuletzt ist da noch der Dinosaurier Buch und die > Bibliothek als Büchersammlung, vielfach immer noch gleichgesetzt mit Bildung. Spätestens nachdem Bibliotheken in den Occupy-Camps zum „Must Have“ wurden, sind sie auch im DIY Pflicht bzw. werden als materielles Arrangement genutzt, das den Anspruch, ein Bildungsort zu sein, deutlich unterstreicht. Tatsächlich passt es zum DIY, sich aller vorhandener Mittel zur Lösung eines Problems zu bedienen. Und natürlich wollen die Akteure ihr Wissen und ihre Perspektive an andere, auch Leser von Büchern, weitergeben. Aus diesem Grund verfassen DIY-Akteure selber in zunehmendem Maße Bücher oder andere Druckwerke oder inspirieren diese.

 

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Mundraub

Mundraub

 

Beschreibt sich selbst als Obstallmende. Mundraub ist ein typischer DIY-Hybrid: zusammengesetzt aus einer Crowd-Sourced Website, auf der eine Vielzahl von Nutzer_innen Obstbäume und -sträucher eintragen, deren Früchte geerntet werden dürfen, und einem hinter Markierung und Verzeichnung sich öffnenden Raum eigenen Typs: einem Genuss-Archipel. Das „herrenlose“ Obst wird als Schatz verstanden, den es zu finden und zu heben gilt. Mundräuber sind keine Bauern. Sie sind nicht an die Erde gebunden, sie hegen und pflegen nur begrenzt, sie bauen nicht an, um ernten zu können. Meist besteht die Mundräuberpraxis darin, die eingezeichneten Bäume oder Sträucher aufzusuchen und sie abzuernten. Etwa im Rahmen einer Fahrradtour und in Verbindung mit einem Picknick, in der Regel zusammen mit anderen. Danach wird das geerntete Obst dann eingekocht oder anderweitig konserviert.

Das klingt recht einfach. Tatsächlich aber erschließt das Mundräubern vielen Beteiligten eine komplett neue Welt. Der Bezug zu Obst und anderen Nutzpflanzen, zu Ernährung und zu Landschaft verändert sich mit der Pflück- und Ernteerfahrung. Man trachtet danach, Unwissenheit und Unbeholfenheit im Umgang mit den Früchten durch den Austausch mit anderen Mundräubern zu verringern. Auf der Facebook-Seite von Mundraub gibt es viele Statusmeldungen über Obstsorten, die identifiziert werden müssen, und über alles, was mit Einkochen und der Zubereitung von Speisen zu tun hat. Man will wissen und man will es gut machen. Man empfindet Dankbarkeit für die Obstbäume, deren Früchte man erntet. Im Gegenzug wird es zum Bedürfnis, die Obstbäume zu beschützen und zu erhalten. Aus Räubern werden Verbündete.

mundraub.org

 

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Nomaden

Nomaden

 nomaden.pale-blue-door-berl

DIY bewegt sich zwischen den Polen Lokalität und Globalität. Die Projekte sind räumlich verortet, fügen sich in die Umgebung ein und verbinden sich mit den Nachbarschaften. Zugleich bilden sie Destinationen für urbane Nomaden, die sie auf ihrer Landkarte haben und gezielt ansteuern. Orte des DIY und DIT bestehen aus einem Netzwerk ähnlicher Sphären und Landschaften. Die hier zusammengetragenen Dinge, die sich versammelnden Körper, das Wissen und auch die Pflanzen sind Teil nomadischer Bewegung. Ein Ort entsteht, wird vom Zusammenspiel vieler (nicht nur Menschen) belebt und vergeht nach einer Zeit wieder.

Im Berliner Prinzessinnengarten baute 2011 eine aus London kommende Künstlergruppe aus zusammengesammelten Althölzern und Fensterscheiben ein nomadisches Restaurant in Form von sieben Baumhäusern, das sie „The Pale Blue Door“ nannte (Nomadisch Grün 2012, S. 88f.). Die Poesie der Baumhäuser beeindruckte mit ihrer Inszenierung temporärer Beheimatung und Gastlichkeit. Die reisenden Künstler brachten außer sich selbst und ihrem Transporter nichts mit und waren dennoch bald in der Lage, Gäste zu bewirten. Gast oder Gastgeber? Der Unterschied wird eingeebnet. Egal woher du kommst, du bist immer zu Hause und du kannst immer etwas geben.

Diesem Lebensgefühl entspricht das Provisorische und Unfertige der materiellen Kultur: Der häufig anzutreffende Container ist zugleich Metapher und auch unverzichtbare Hardware des modernen Nomaden. Ebenso der Bauwagen, aus Bierkisten und Brettern zusammengefügte Möbel, Brotkisten als Regale oder Pflanzencontainer. Das Nomadische verheißt eine situative Unabhängigkeit von den mannigfaltigen Zugriffen, Zumutungen und Zuschreibungen des hyperfunktionalen Kapitalismus.

> Heimat

Nomadisch Grün (Hg.) (2012): Prinzessinnengärten. Anders gärtnern in der Stadt. Köln: DuMont.

 

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Offene Räume

Offene Räume

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Der Zugang zu den DIY-Projekten ist frei. Es müssen keine Eintrittsgelder entrichtet werden. Es gibt auch keinen Verzehrzwang. Die Orte sind darauf angewiesen, sich von den Anwesenden und von anderen Kräften und Einflüssen inspirieren und formen lassen. Dabei gibt es allerdings einen normativen Rahmen, der nicht alles toleriert. Man interveniert, wenn Dinge geschehen, die dem Projekt schaden. 

 

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Offene Werkstätten

Offene Werkstätten

offene werkstaetten apolonia wieland com

Mit den Neuen Sozialen Bewegungen entstanden seit den 1970er Jahren in vielen Städten offene Werkstätten; als Bestandteil soziokultureller oder Jugendzentren, als temporäres Angebot einer ansonsten erwerbsmäßig genutzten Werkstatt, als mobile Werkstatt für die Nachbarschaft oder als Werkstadthaus. Meist verdanken sich die Initiativen, die solche Werkstätten einrichteten und betreuten, zivilgesellschaftlichem Engagement; im Rahmen sozialer Arbeit wurden offene Werkstätten mitunter auch finanziert. Es gibt Häuser, die nur ein Gewerk beherbergen und solche, die ein breites Angebot bieten (vom Tischlern und Schweißen über Nähen und Goldschmieden bis hin zu Kochen und Papierschöpfen).

Beschränkte sich das Angebot früher oft auf klassische Gebiete, wird es heute zunehmend durch hightech betriebene Werkstätten ergänzt. Ein Café für die Pause, zum Fachsimpeln und zum Hosten von Veranstaltungen findet sich meist auch. Offene Werkstätten holen private Eigenarbeit in den öffentlichen Raum, sie ermöglichen ihren Nutzer_innen, sich auch in der Erwerbs- und Konsumgesellschaft als selbsttätig zu erleben. Sie fördern und bewahren handwerkliche Fähigkeiten, sie ermutigen Menschen, Dinge in die eigenen Hände zu nehmen, ihre Kreativität zu entdecken. Mit der Renaissance von DIY erhalten die Werkstätten neue Impulse und wenden sich in neuer Weise der pluralen Stadt zu, als deren Teil sie sich begreifen.

Und es entstehen weitere Werkstätten, z.B. FabLabs als Teil einer dynamisch sich entfaltenden Landschaft des DIY/DIT. 2009 gründete sich der Verbund Offener Werkstätten. Er koordiniert Austausch, Kooperation und gemeinsame Lobbyarbeit der kontinuierlich ansteigenden Mitgliedsprojekte. Sie treffen sich einmal im Jahr, immer in einer anderen Stadt.

(Foto: Aplonia-Wieland.com)

 

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Outdoorküche

Outdoorküche

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Der Trend zum Draußensein ist ungebrochen; die Grenzen zwischen Innen und Außen sind längst fluide und bürgerliche Vorstellungen von Privatheit zunehmend im Verschwinden begriffen. Immer mehr Lebensraum wird von drinnen nach draußen verlegt; Gartenbesitzer tragen ihre Wohnmöbel ins Freie, harren dort auch bei niedrigen Temperaturen mit Decken auf dem Schoß aus und bauen sich aufwändige Outdoorküchen in den Terrassenbereich. „Im Garten halten's die Leute wie in der Küche: Bei der Technik klotzen, beim Grünzeug sparen“ kommentierte brand eins (12/2008) den Outdoortrend, und dieser Befund trifft auf weite Teile der distinktiven Ausweitung des Innenraums zu Zwecken der Selbstinszenierung zu: ausladende Plastiksofas und teure Küchenelemente, aber billiges Grillfleisch.

In den Outdoorküchen der urbanen Gärten ist es umgekehrt: In den ausgemusterten Hafencontainern und Bretterkonstruktionen aus recycelten Altmaterialien und geschenkten Resthölzern werden frisch geerntete Pflanzen aus lokalem Anbau zusammen gekocht und verspeist. Gemeinsam ist beiden Formen die Nähe zu Camping und Picknick, die Vorliebe für weniger beengte und mit Konventionen belegte Wohnverhältnisse. Draußen galten immer schon andere Regeln als drinnen.

> Gartendinner

Kirchhoff, Thomas/ Vicenzotti, Vera/ Voigt, Annette (Hg.) (2012): Sehnsucht nach Natur. Über den Drang nach draußen in der heutigen Freizeitkultur. Bielefeld: transcript.

 

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Palette

Palette

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Die Palette ist einer der prominentesten Gegenstände des DIY. Ursprünglich für die Industrielogistik entwickelt und hier normiert, wird sie im DIY der industriellen Nutzung entzogen und zum Universalgegenstand mit vielen neuen praktischen Funktionen und Handhabungen.

 

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Parkgaragendach

Parkgaragendach

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Auch Parkgaragendächer gehören zu den Räumen, die im DIY/DIT eine Umnutzung erfahren. Einst Inbegriff städtischer Hässlichkeit und Unwirtlichkeit entstehen hier manchenorts „Himmelbeete“.

 

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Performativität

Performativität

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Im Mittelpunkt des DIY steht die gemeinsame Hervorbringung. Es geht nicht darum, zielstrebig die eigene Absicht umzusetzen, sondern darum, sich mitnehmen zu lassen, sich mit anderen in einen Fluss von Ereignissen zu begeben, dessen Wechselfälle, Wendungen und Abfolgen weder vorhersehbar noch steuerbar sind. Man wagt den Sprung ins Offene und wird Teil einer basisdemokratischen Kultur, die sich letztlich selber dynamisch herstellt. Man vertraut dem Potenzial der Vielen. Die Praxis versteht sich als Antidot zu den hegemonialen Strukturen des Techno-Perfektionismus.

Praktisch erfordert dies eine Fähigkeit zur Interaktion, in der die Beteiligten sich gegenseitig respektieren und Differenz tolerieren. Man wird ständig mit neuen Anforderungen und Problemen traktiert, doch muss dies die Einzelnen nicht unbedingt überfordern, denn jede/r trägt ja nur einen Teil der Last. Es wird nicht endlos viel Zeit mit Brainstormings verbracht, vielmehr drängt man ins praktische Versuchen und Tun. Man bastelt sich an die Lösungen der jeweiligen Probleme heran. Etwas Neues, Interessantes, möglicherweise nie zuvor Gesehenes liegt ständig in der Luft. Mal übernimmt die eine, dann die andere die Initiative und den weiterführenden Part. Man wirft sich gegenseitig die Bälle zu.

Doch nicht nur beim Basteln, Bauen und Gärtnern, sondern auch bei der Nutzung ist das DIY eine performative Kultur, in der mehrere Spieler aufeinander bezogen sind: indem die selbst gebauten Dinge zum Gegenstand kleiner Inszenierungen gemacht werden. DIY enthält mehr als ein Quäntchen Theatralik.

> Gartenumzug

Fischer-Lichte, Erika (2012): Performativität. Eine Einführung. Bielefeld: transcript.

 

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Postwachstum

Postwachstum

 

Wachstum gehört zu den wirkmächtigsten Konzepten und Versprechen der spätindustriellen Gesellschaft. Wer Wachstum beschleunigt und hohe Raten verzeichnet, dem steht angeblich die Zukunft offen, der mehrt den Wohlstand. Wachstum wird als magische Formel gehandelt, auf Wachstum beruht die sozialstaatlich eingebettete Übereinkunft zwischen Kapital und Gewerkschaften, es liefert das Skript der Umverteilungskämpfe der letzten Jahrzehnte.

Wirtschaft ohne Wachstum kann sich heute kaum jemand vorstellen, aber stetiges Wachstum setzt die grenzenlose Tragfähigkeit der Erde voraus. Schon heute werden um knappe Ressourcen wie „seltene Erden“ Kriege geführt. Diagnostiziert werden nicht nur Peak Oil und Peak Soil, sondern gleich „Peak Everything“ (Heinberg 2010, > Erdöl). Ökologische Ökonomen halten Wachstum und Nachhaltigkeit nicht zuletzt wegen der Rebound-Effekte für unvereinbar (Paech 2012, Seidl/Zahrnt 2010).

Hinzu kommt: Der Zusammenhang von materiellem Wohlstand und individuellem Wohlbefinden ist nur bis zu einem bestimmten Grad nachweisbar, immer mehr von vielem macht weder glücklich noch zufrieden, so legen Ergebnisse der Befindlichkeitsforschung nahe. Menschen scheinen neben einem gewissen materiellen Wohlstand vor allem Zugehörigkeit, Anerkennung, Zeitwohlstand und soziale Gerechtigkeit zu brauchen, um Zufriedenheit zu empfinden.

Die westlichen Gesellschaften benötigen also neben neuen Institutionen auch neue Wohlstandsmodelle und -indikatoren. In den > Commons-orientierten Projekten werden postmaterielle Lebensstile nun erprobt: Kooperation statt Konkurrenz, weiterverwerten statt wegwerfen, weniger kaufen, dafür gemeinschaftlich nutzen, lokale Vielfalt genießen, teilen, schenken, leihen. Sie haben erfahren, dass Do it Together glücklicher macht als individueller Konsum. Und sie wissen auch: Postwachstum muss nicht nur demokratisch legitimiert, sondern auch partizipativ organisiert werden. Die Laboratorien der Stadtgesellschaften nehmen ihre Arbeit auf.

Paech, Niko (2012): Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie. München: oekom.
Seidl, Irmi/ Zahrnt, Angelika (Hg.) (2010): Postwachstumsgesellschaft. Konzepte für die Zukunft, Marburg: Metropolis.

 

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Queer

Queer

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DIY lädt zu Queerness ein. Obwohl es unübersehbar ist, dass Männer gerne mit großen und schweren Werkzeugen hantieren, während die Mehrzahl der strickenden Subjekte Frauen sind, wäre es falsch zu meinen, dass im DIY die tradierten Geschlechterbeziehungen ein Revival erführen. Der vielfältig bevölkerte Oikos des DIY und das sich hier ereignende Commoning setzen fraglos voraus, dass alle alles tun, verkörpern, begehren und lieben können. Und das ist nicht nur ein Lippenbekenntnis, sondern soziale Praxis.

Die Queerness bezieht sich aber nicht nur oder in erster Linie auf die Überschreitung der Heteronormativität, sondern überhaupt auf alle normierten und machtgeladenen Unterscheidungen. Queer und außerhalb der geltenden Vorstellungen und Normen ist hier vor allem das Verhältnis von Menschen zu Pflanzen und zu Tieren, das grundlegend neu verhandelt wird. Die Verbindung von Veganismus und DIY ist eng. Der Anthropozentrismus der Industriemoderne verliert an Plausibilität. Jenseits eröffnen sich viele Formen dessen, was queer, also nicht normgerecht, schräg, leicht verrückt wirken mag. Die Perspektive einer „Queer Ecology“ ermöglicht ein Naturverständnis jenseits von essentialistischen Konzepten von „Ursprünglichkeit“ oder „Einheit“ der Natur.

 

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Reissack

Reissack

 

Lebensmittelechtes Behältnis für den Anbau von Kartoffeln. Ein in jedem Asialaden kostenlos erhältlicher Zweitverwerter für den mobilen Anbau auf knappen Flächen. Der lässig umgekrempelte Sack, gefüllt mit Humuserde, reflektiert mit seiner weißen Farbe nicht nur das Sonnenlicht, sondern ist fester Bestandteil der visuellen Ikonographie urbaner Gärten.

 

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Repair-Café

Repair-Café

 repair-cafe

Geplante Obsoleszenz heißt: Produkte weisen Sollbruchstellen auf und gehen kurz nach Ablauf der Garantie kaputt. Eine durchsichtige Strategie der Industrie, ihren Absatz auf Dauer sicherzustellen, die mehr und mehr Leute in Rage versetzt. Gerade auch unter ökologischen Aspekten empört die Materialverschwendung. Ebenso wie die Entmündigung – die wenigsten Produkte lassen sich noch aufschrauben und reparieren –viele ärgert. Fordern wir unser Recht auf Reparatur zurück, heißt es beispielsweise im Repair-Manifesto. Getreu dem Motto: Eine Sache, die du nicht reparieren kannst, gehört dir nicht.

Repair-Cafés sind eine praktische Maßnahme, etwas dagegen zu unternehmen. Hier treffen sich Leute mit defekten Gebrauchsgegenständen und Elektrogeräten und versuchen in gemeinsamer Aktion möglichst viele davon zu reparieren. Ein Repair-Café ist keine Reparaturwerkstatt mit Service, sondern eine Selbsthilfeunternehmung bei Kaffee und Kuchen. Der Anspruch: Jede/r wagt sich selbst an das Innenleben der kaputten Geräte heran, aber in Gemeinschaft und im Austausch der unterschiedlichen Kenntnisstände geht das natürlich besser. Erfunden wurden Repair-Cafés in den Niederlanden. In Deutschland boomen sie seit geraumer Zeit.

http://anstiftung.de/selbermachen/reparatur-initiativen

 

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Retro

Retro

 

Retro ist die (sub-)kulturelle Antwort auf die Fetischisierung des Neuen. Die ständige Entwertung des Bisherigen durch das Neue und die damit verbundene Zumutung des Anschlusses durch das Konsumentensubjekt ist ein sozialer Mechanismus, der das Subjekt in letzter Konsequenz selbst entwertet. Die Verweigerung dieser Vereinnahmung zielt ins Herz des Konsumkapitalismus, da eine Umwertung der Werte erfolgt. Es ist jedoch Vorsicht geboten, das Spiel mit Retro birgt das Risiko der Fetischisierung des als Retro anerkannten Alten.

 

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Reverse Engineering

Reverse Engineering

 

Der Begriff „Reverse Engineering“, der ursprünglich aus dem Maschinenbau stammt, ist in den vergangenen Jahren verstärkt von einer digitalen Avantgarde adaptiert worden, von der er zunehmend popularisiert und politisiert wurde. Reverse Engineering bezeichnet Praktiken des Replizierens bzw. Kopierens von Artefakten (Gegenständen). Beim Reverse Engineering als politischer Praxis geht es darum, das in die Geräte oder Gegenstände eingeschlossene Wissen, das auf mannigfaltige Weise vor dem Nutzer verborgen wird, zutage zu fördern und es Interessierten zur Verfügung zu stellen. Der Hintergrund des Reverse Engineering ist die zunehmende Abschirmung bzw. das zunehmende Verstecken bzw. (auch rechtliche) „Versiegeln“ des in die jeweiligen Geräte eingeschriebenen Wissens. Während man vormals Gehäuse in der Regel öffnen und Einblick in das Innere nehmen konnte, wird dieser Zugang zunehmend versperrt, z.B. indem Gehäuse nicht mehr geöffnet werden können. Hierdurch wird sowohl die Reparatur als auch jede andere Form der Befassung mit der eingebauten Technik erschwert oder sogar verhindert. Durch diesen firmenseitig strategisch geplanten Ausschluss verändert sich das Verhältnis der Konstrukteure zu ihrem Umfeld grundlegend: Während sich die Konstrukteure früher im Verbund mit Handwerkern verorteten, die für die Reparatur zuständig waren und diesen bewusst Zugang eröffneten, werden Handwerker heute in wachsendem Maße ausgeschlossen bzw. von den Firmen (als lizenzierte Experten) kontrolliert und jeder Eigenständigkeit beraubt (z.B. die sogenannten „Vertragswerkstätten“ versus die „freien Werkstätten“ im Automobilsektor). Weder den Besitzern noch anderen Personengruppen wird Zugang zu den erworbenen Produkten gewährt. In der neuen Konstellation werden aus Besitzern Nutzer (user), deren Spektrum an Dingbezügen in erster Linie durch ästhetische Aspekte (Produktdesign) und standardmäßig vorgegebene bzw. zugelassene Nutzungsformen (Bedieneroberflächen bzw. Interfaces) strukturiert und bestimmt wird.
Dieser Entmachtung treten die Aktivisten des Reverse Engineering entgegen, indem sie sich Zugang zum Geheimwissen verschaffen. Den Akteuren des Reverse Engineering geht es darum, die technischen und praktischen Modalitäten des eigenen Lebens in die eigenen Hände nehmen zu können. Den vollen und unbegrenzten Zugang zu den modernen Technologien zu bekommen, begreifen sie als notwendige Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben. Das Reverse Engineering endet jedoch nicht beim Öffnen und Replizieren einer Technologie, vielmehr wird vorgefundene Technologie auch um neue Funktionen erweitert. Man distanziert sich bewusst von der dominierenden Semantik der „Benutzerfreundlichkeit“, die man als Sprache der Entmündigung begreift. Man dreht diese dominierende Sicht der Dinge um, indem man den logischen Zusammenhang von kapitalistischer Ausbeutung und der künstlichen Verknappung (Exklusivierung) von Wissen in den entsprechenden Waren/Geräten kritisch bewertet und sich stattdessen um die Verallgemeinerung dieses Wissens bemüht. Es geht also letztlich um das Aufbrechen des Zusammenhangs von Wissen und warenförmigen Produkten. Damit ist Reverse Engineering eine demokratische Praxis, die darauf abzielt, Wissen grenzenlos zugänglich zu machen und es damit der kapitalistischen Verwertung als Ware zu entziehen. Reverse Engineering ist in vielen Fällen (insbesondere bei Software-Technologien) verboten, da es gegen gültige Software-Lizenzbestimmungen verstößt.

Friesinger, Günther/ Herwig, Jana (eds.) (2014): The Art of Reverse Engineering. Open – Dissect – Rebuildt. Bielefeld: transcript. 

 

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Saatgut

Saatgut

 saatgut

Mehr als zwei Drittel des Saatguts werden weltweit von Agrarkonzernen wie Monsanto und Bayer kontrolliert, lizenziert und manipuliert. Das hat problematische Folgen, widerstandsfähige Sorten verschwinden zugunsten anfälliger Hochleistungszüchtungen, und insgesamt geht die Biodiversität stetig zurück. Die urbanen Gärtner_innen verschmähen einjährige Hybridsorten aus dem Baumarkt und setzen stattdessen auf regional angepasste alte Sorten und Pflanzenvielfalt. Sie vermehren ihr Saatgut selbst und bringen es über Tauschen in Umlauf. Dass dies bis vor kurzem noch illegal war, deutet auf die Macht der Saatgutmultis. Erst 2012 entschied der Europäische Gerichtshof, dass Europas Bauern Saatgut aus alten, amtlich nicht zugelassenen Gemüse- oder Getreidesorten gewinnen und auch vermarkten dürfen (Spiegel online, 12.7.2012).

saatgutkampagne.org
www.freie-saaten.org
www.arche-noah.at

 

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Sharing Economy

Sharing Economy

 

Couchsurfing, Foodsharing, Kleidertausch oder Carpooling gehören zu den vielfältigen netz- und vertrauensbasierten Formen der Collaborative Consumption, des > Teilens, Tauschens und gemeinsamen Nutzens von privater und öffentlicher Infrastruktur. Hier geht es nicht um Ausbau und Verteidigung von Privatbesitz, sondern um die Schaffung von Zugang für einen möglichst großen Kreis von Nutzer_innen. Beim Foodsharing veröffentlicht man mittels einer crowd-finanzierten Smartphone-App überschüssige Lebensmittel, die dann von anderen abgeholt werden können. Beim Couchsurfing offeriert man die eigene Wohnung Reisenden und kann im Gegenzug auf ein internationales Netzwerk von Personen zählen, die ebenfalls kostenlos privaten Wohnraum, Gastfreundschaft und Zeit zur Verfügung stellen. Die Bereitstellung für gemeinsame Nutzung ist nicht immer ökologisch motiviert; das gemeinschaftliche Nutzen hat gerade in Großstädten für viele einen sozialen und kommunikativen Mehrwert. Man trifft auf Gleichgesinnte und verschiebt die Grenzen der eigenen Privatsphäre zugunsten eines vertrauensbasierten Miteinanders.

Couchsurfing und andere Formen des Sharing sind zum Gegenstand der Kommerzialisierung geworden. Firmen wie „airbnb“ bewegen sich mittlerweile erfolgreich an der Schnittstelle zwischen Anbieter und Nutzer. Es ist unübersehbar, dass das Tauschen und Teilen eine Sphäre ist, in die zunehmend neue Akteure drängen und sie zum Geschäft im digitalen Transaktions-Kapitalismus machen. Dies wird kritisch betrachtet und gegen das Sharing insgesamt ins Feld geführt. Es wäre jedoch falsch, die derzeit beobachtbare Gegenseitigkeitsorientierung und die damit verbundenen Alltagspraxen auf kommerziell organisierte Transfers zu reduzieren, denn der Sinn, der durch Gegenseitigkeit entsteht, erschöpft sich eben nicht in der erfolgten "Dienstleistung", sondern in der Fähigkeit, sich auf andere einzulassen und situativ ein Miteinander entstehen zu lassen.

Bosshardt, David (2011): The Age of Less. Die neue Wohlstandsformel der westlichen Welt. Hamburg: Murmann.
Botsman, Rachel/ Rogers, Roo (2010): What’s Mine is Yours. The Rise of Collaborative Consumption. New York: HarperCollins.
Heinrichs, Harald/ Grunenberg, Heiko (2012): Sharing Economy - Auf dem Weg in eine neue Konsumkultur? Leuphana Universität Lüneburg.
Picard, David/Buchberger, Sonja (Hg.) (2013): Couchsurfing Cosmopolitanisms. Can Tourism Make a Better world? Bielefeld: transcript.

 

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Siebdruck

Siebdruck

 siebdruck.sdw-Neukölln

Siebdruck liegt wie Stricken, Nähen oder Häkeln im Trend. Im textilen Bereich ist das Selbermachen besonders verbreitet. Siebdruck ist zudem ein leicht zu erlernendes Handwerk. Beim Siebdruckverfahren wird die Druckfarbe durch ein feinmaschiges, textiles Gewebe auf den Druckträger gedrückt. Besonders gerne werden in > offenen Werkstätten wie der SDW in Berlin-Neukölln T-Shirts (aus fair gehandelter Baumwolle) bedruckt. So kann man sich sein Statement auf den eigenen Leib schneidern. In der SDW hatte auch das von Schüler_innen der Rütli Schule getragene Projekt RÜTLI-WEAR seine praktische Wirkungsstätte. Die von den Jugendlichen entworfenen Siebdruck-Kollektionen kommentierten die Vorgänge um ihre Schule aus eigener Sicht und warfen ein Schlaglicht auf die politische Virulenz vom DIY.

 

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Soziale Netzwerke

Soziale Netzwerke

 

„Mit Facebook enden zwei Jahrhunderte der Flucht aus Gemeinschaften“ konstatiert der britische Ethnologe Daniel Miller in seiner Studie „Das wilde Netzwerk“ (Miller 2012, S. 161). Damit bezieht er Stellung in der Debatte darüber, ob sich Menschen durch die Nutzung von Computern in Cyborgs verwandeln, ob Konnektivität zur Sucht wird, ob die Simulationskultur der Social Media zu Entfremdung und einer abnehmenden Sozialität führt, oder ob einfach eine andere Form des Sozialen entsteht (Lovink 2012).

Unbestritten ist, dass es unterschiedliche Formen der Anwendung von Facebook gibt. Die DIY-Akteure erschließen sich die technischen Möglichkeiten als Werkzeug für Kommunikation, sie teilen Inhalte und Debattenbeiträge, laden zu Veranstaltungen ein und stimmen sich in themenspezifischen Gruppen ab. Facebook wird hier im Sinne von Saskia Sassen eher „minimalistisch“ (Sassen 2011, S. 249ff) genutzt.

Man tauscht sich auf den Projektseiten nicht über private Befindlichkeiten aus, sondern über > Saatgutfreiheit, die Qualität von CNC-Fräsen, Öffnungszeiten von Werkstätten, Korrekturen in der Liegenschaftspolitik von Städten oder Online-Votings zum Erhalt von Freiflächen. Facebook bildet den politischen Charakter des Netzwerks ab und ist ein Verweisungsmedium: Wenn der Algorithmus stimmt, wird kontinuierlich Content aus verwandten Projektzusammenhängen geliefert, ohne dass man sich die Mühe der gezielten Recherche machen müsste. Zugleich erzeugen die eigenen Inhalte Resonanz, und da bei Facebook jeder Nutzer ein potenzieller Multiplikator ist, haben die Postings gute Chancen auf Verbreitung. Sehen und gesehen werden: Wer mehrere Tausend Freunde und Likes hat, erlangt Reputation.

Gezahlt wird in harter Währung: Facebook-Nutzer wissen, dass sie sich der informatisch-kommerziellen Überwachung durch den börsennotierten Konzern unterwerfen, der die Infrastruktur zur Verfügung stellt, um damit im digitalen Kapitalismus Profit zu erzielen (Andrejevic 2011, S. 35). Diese in ihren Konsequenzen tatsächlich schwer zu durchdringende Asymmetrie zwischen Usern und der digitalen Macht der Konzerne beantworten sie allerdings nicht mit Abstinenz, sondern mit Nutzung. Die Parasitierung der von ihnen in die Welt gesetzten Daten nehmen sie in Kauf.

Andrejevic, Mark (2011): Facebook als neue Produktionsweise. In: Leistert, Oliver/ Röhle, Theo (Hg.): a.a.O., S. 31-50.
Leistert, Oliver/ Röhle, Theo (Hg.) (2011): Generation Facebook. Über das Leben im Social Net. Bielefeld: transcript.
Lovink, Geert (2012): Das halbwegs Soziale. Eine Kritik der Vernetzungskultur. Bielefeld: transcript.
Miller, Daniel (2012): Das wilde Netzwerk. Ein ethnologischer Blick auf Facebook. Berlin: Suhrkamp.
Sassen, Saskia (2011): Das minimalistische Facebook. Netzwerkfähigkeit in größeren Ökologien. In: Leistert, Oliver/ Röhle, Theo: a.a.O., S. 249-252.

 

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Stadtnatur

Stadtnatur

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Das Verhältnis von Stadt und Natur, geprägt durch die moderne Industriegesellschaft, gerät seit einiger Zeit von zwei Seiten unter (produktiven) Druck. Da sind nicht nur die Praxen des > Urban Gardening, verbunden mit der Wiederentdeckung der > Subsistenz und der Rückkehr der produktiven Gärten in die Stadt. Da sind auch die Wanderungsbewegungen der Wildtiere vom Land in die urbanen Räume. Hier finden zugelaufene und zugeflogene Tiere wie Füchse, Kaninchen, Nachtigallen, Uhus und Wanderfalken nämlich bedeutend bessere Lebensbedingungen, weniger Pestizide, mehr Futter und eine reichhaltigere Flora als in den industriell ausgeräumten und überdüngten Monokulturen des Landes. Die Artenvielfalt in Großstädten ist mittlerweile erheblich größer als in den Kulturlandschaften und keineswegs als Natur „zweiter Klasse“ zu betrachten (Reichholf 2007).

Das ist ein erstaunlicher Befund und ein höchst eigener Kommentar zum Antiurbanismus vergangener Jahrzehnte. Die von Alexander Mitscherlich zu Recht kritisierte „Lebensfeindlichkeit und Unwirtlichkeit der Städte“ wird durch die Praxen des DIY in der postfordistischen Stadt unterlaufen, und die Präferenzen der Tiere verweisen heute auf die Unbewohnbarkeit des Landes.

Aber was wird aus den ländlichen Räumen, die mehr denn je zu Lagerstätten von giftiger Gülle und antibiotikaverseuchtem Grundwasser sowie zum Standort von systematischer Tierquälerei in der Masthaltung verkommen? Die neuen urbanen Landwirtschaftsaktivitäten interessieren sich durchaus für diese Frage, sie sind nicht Ausdruck einer romantischen Verklärung des Landes, sondern der Suche nach einer Stadt, die sich die wahren Kosten ihrer Existenz auf die eigene Rechnung schreiben und nicht an ihre Umgebung delegieren will.

Reichholf, Josef H. (2007): Stadtnatur. Eine neue Heimat für Tiere und Pflanzen. München: oekom.

 

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Stadtplanung

Stadtplanung

 

Die Stadtplanung befindet sich angesichts von Klimawandel und voranschreitenden > Gentrifizierungsprozessen in einer ambivalenten Position. Einerseits muss sie, zumindest in wachsenden Städten, nachverdichten und dabei aber die Lebensqualität möglichst erhalten und Abkühlungseffekte schaffen, d.h. die Zahl der öffentlichen Grünflächen eher vergrößern als minimieren. Dieses Erfordernis wird wiederum kontrastiert durch eine seit zwei Jahrzehnten andauernde Deregulierung und Privatisierung öffentlicher Güter und öffentlicher Räume. Kommunen wurden mit dem neuen Selbstverständnis als „Unternehmen Stadt“ in einen Wettbewerb miteinander getrieben. Zugleich entzog man ihnen die Mittel für gemeinwohlorientiertes Handeln und Haushalten. Diese Politik führte vielerorts zu Schuldenbergen und unterfinanzierten Großprojekten, vor allem aber führte sie zum Wandel des Selbstverständnisses der Kommunen von einer öffentlichen Einrichtung zum „Unternehmen Stadt“ (Mattissek 2008). Aber die Stadt ist keine Ware und ihre Bürgerinnen und Bürger sind keine „Kunden“.

Urbane Gärten und andere commonsorientierte Projekte setzen an dieser Erkenntnis an. Sie verstehen sich explizit als Akteure der Stadtentwicklung von unten und wollen Beiträge zur Quartiers- und Nachbarschaftsgestaltung, zur Erhaltung von Freiräumen und zur Schaffung von grünen und produktiven Orten für alle leisten. Die gerade vielerorts entstehenden Kooperationen zwischen ihnen und der Stadtpolitik haben eine gemeinsame Grundlage: die kommunale Daseinsvorsorge. Damit die Verwaltung ihren ureigensten Auftrag wieder selbstbewusst und offensiv erfüllen kann, gehört der öffentliche Raum zurück in den demokratisch legitimierten Raum des Politischen.

Ein weiterer Aspekt: Bislang lautet der Auftrag an die städtische Planung, eine Versorgung der Bevölkerung mit Spielplätzen und Parkanlagen sicherzustellen. > Urban Gardening ist im Kanon noch nicht vorgesehen, peinlich genau wird darauf geachtet, dass öffentliche Grünflächen allen zugänglich bleiben, das schließt den Gemüseanbau vielerorts aus, auch wenn er gemeinschaftlich organisiert wird. Die Debatte um den öffentlichen Raum hat begonnen und zeigt vielerorts bereits unerwartete Perspektiven auf; z.B. bezüglich der Kooperation von Verwaltung und urbanen Subsistenzprojekten (von der Haide 2014).

Mattissek, Annika (2008): Unternehmen Stadt. Diskursive Repräsentationen im Stadtmarketing deutscher Großstädte. Bielefeld: transcript.
von der Haide, Ella (2014): Die neuen Gartenstädte. Urbane Gärten, Gemeinschaftsgärten und Urban Gardening in Stadt- und Freiraumplanung. Internationale Best Practice Beispiele für kommunale Strategien im Umgang mit Urbanen Gärten.

 

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Subsistenz

Subsistenz

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Subsistenz meint alles, was notwendig ist für ein (gutes) Leben, nicht nur Güter und Dienstleistungen, sondern auch menschliche Beziehungen, Erfahrungen von Zugehörigkeit und Kompetenz. Subsistenz ist die Grundlage aller Ökonomie und ihr eigentlicher Kern (oikonomia: altgriechisch für Haushaltsführung).

Subsistenz im Sinne von nicht-warenförmiger, nicht bezahlter Arbeit macht auch heute noch das Gros der gesellschaftlich notwendigen Arbeit aus, trotz des verbreiteten Mythos, Menschen würden von der Lohnarbeit und der Warenproduktion leben: Ungefähr zwei Drittel aller Arbeitsstunden entfallen in Deutschland auf die Subsistenzarbeit, weltweit sind höchstens ein Fünftel aller Arbeitsstunden bezahlte Arbeit. 30 Prozent der Weltbevölkerung lebt unmittelbar von der landwirtschaftlichen Subsistenzproduktion. Entgegen ihrer tatsächlichen Verbreitung existiert allerdings kaum ein Bewusstsein über die Bedeutung dieser Produktion. Wirtschaftliches und politisches Handeln orientiert sich an den Erfordernissen der Warenproduktion. Die Produktion von Waren und Geld gilt als wichtiger als die Produktion von Leben, sodass sämtliche problematische Folgen der Industrie als unvermeidbar in Kauf genommen werden.

Die Situation der Subsistenz(-produktion) heute ist ihre Indienstnahme durch die Warenproduktion. Die Etablierung einer von der Warenproduktion kontrollierten Form von Subsistenzarbeit ist die entscheidende Neuerung der kapitalistischen Marktwirtschaft und eine Bedingung ihrer Existenz: Abschaffen kann man die Subsistenzproduktion nicht. Sie produziert nach wie vor die alltäglichen Voraussetzungen des Lebens und ist insofern Grundlage jeder Gesellschaft und aller Produktion, auch der kapitalistischen. Allerdings hat sie ihren Charakter verändert; sie wurde von einer eigenständigen zu einer abhängigen Produktion, von einer gesellschaftlich geachteten zu einer gesellschaftlich unsichtbaren.

Gibt es nichtsdestotrotz heute in industrialisierten und urbanisierten Gesellschaften Möglichkeiten einer neuen Subsistenz, die die Menschen weniger konsumabhängig und zugleich fähiger macht, für sich und andere selbst zu sorgen? Diese Frage wird von Protagonisten des DIY klar mit „Ja“ beantwortet. Das Motiv der DIY-Gemeinde ist eben nicht: Geld zu sparen (wie es beim klassischen Baumarkt-Selbermachen der Fall ist), sondern eher: weniger Geld zu benötigen, von Geld unabhängiger zu werden, die Geldorientierung zu vermindern. Im Selbermachen kündigt sich ein neues gesellschaftliches Verhältnis zu Subsistenz an: Wenn Haushalt und Handwerk nicht mehr als unmodern gelten, sondern Gärtnern, Einkochen, Stricken, Bauen als Avantgarde, wenn schließlich als öffentlich reklamierbares Kriterium für Lebensqualität gilt, dass man Dinge selber herstellen kann bzw. herzustellen weiß, wenn Dinge länger genutzt und aus Wohlstandsmüll Gebrauchsgüter werden, hat das womöglich weitreichende Folgen.

Subsistenztätigkeiten sind über Jahrzehnte ins gesellschaftliche Abseits gedrängt worden, sollten möglichst zeitsparend und nebenher erledigt werden. Der Haushalt wurde immer mehr ein Ort des Konsums. Frauen wie Männer sollten Lohnarbeiter, beide später dann Arbeitskraftunternehmer werden, alle Produkte sollten sich zu Waren umgestalten, alle gesellschaftlichen Bereiche dem ökonomischen Prinzip folgen. Doch diese Entwicklung, die die Welt tendenziell in ein Warenhaus verwandelt, gerät wegen der ökologischen, sozialen und auch psychologischen Kosten, die sie verursacht, erkennbar an ihre Grenzen.

Die Renaissance der Subsistenz ist womöglich eine erste praktische Antwort auf diese Kollateralschäden. Noch sind es wenige, die das Leben im Konsumentenmodus infrage stellen, aber die das tun, beginnen, anders zu wirtschaften und herrschende ökonomische Logiken auf den Kopf zu stellen. In der Subsistenz geben Kooperation und Solidarität statt Konkurrenz und Einzelkämpfertum den Ton an.

Arbeitsgruppe Bielefelder Entwicklungssoziologen (Hg.) (1979): Subsistenzproduktion und Akkumulation. Saarbrücken: Breitenbach.
Baier, Andrea (2004/2010): Von der Hausfrauendebatte zur Subsistenzperspektive. Der Bielefelder (Subsistenz-) Ansatz. In: Becker, Ruth/ Kortendiek, Beate (Hg.), Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, S. 75-80, Opladen: Leske+Budrich.
Baier, Andrea/ Müller, Christa/ Werner, Karin (2007): Wovon Menschen leben. Arbeit, Engagement und Muße jenseits des Marktes. München: oekom.
Dahm, Daniel/ Scherhorn, Gerhard (2008): Urbane Subsistenz. Die zweite Quelle des Wohlstands. München: oekom.
Werlhof, Claudia von/ Mies, Maria/ Bennholdt-Thomsen, Veronika (1983): Frauen, die letzte Kolonie. Reinbek: Rowohlt.

 

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Teilen und Tauschen

Teilen und Tauschen

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Die exklusive Inbesitznahme und Zurschaustellung von Gütern gilt im DIY-Umfeld als wenig erstrebenswert. Vielmehr erprobt man kollektive Nutzungsformen. Man teilt und tauscht. Auch Praxen kollaborativen Konsums finden Anwendung. Über den Konsum und die Nutzung hinaus dreht sich auch vieles um die Produktion als kollektive bzw. mit anderen geteilte Praxis. In jeder Werkstatt, in jedem Garten ist es ein alltäglicher Anblick, dass sich mehrere Leute mit oder ohne ihre Notebooks im Kreis versammeln, um an einem Projekt zu arbeiten. Soziale Interaktionen werden oft über Dinge oder Aktionen vermittelt. Man schafft auf diese Weise eine geteilte Wirklichkeit bzw. eine Wirklichkeit des Teilens, und mit jedem Geben wächst die Wahrscheinlichkeit weiterer Anschlüsse. Der neuen Leitvorstellung zufolge ist ja alles, was man braucht, schon vorhanden, man muss es (oder sich selbst) nur an den richtigen Ort bewegen. Und so ist es nur folgerichtig, dass die überkommene Zuschreibung des einzelnen Individuums zu seinem exklusiven Transportmittel (hegemonial der eigene PKW) aufgebrochen und durch kollektive und miteinander geteilte Mittel – z.B. Lastenfahrräder – ersetzt wird.

Die grundlegende Respektlosigkeit für „tote“ Eigentumstitel manifestiert sich auch in der Tatsache, dass man brachliegende Flächen und Häuser beansprucht und sie in angenehme Orte verwandelt. Man zerstört nichts, man baut auf, man gleicht aus, man hilft. Das dabei entstehende Gemeinwesen ist am konkreten Ertrag interessiert.

Das Tauschen und Teilen wird im DIY-Umfeld auch sportlich, d.h. mit einem gewissen Ehrgeiz betrieben. Es wird als reizvoll empfunden, etwas auf die Beine zu stellen, ohne dafür etwas kaufen zu müssen. Die Dinge, die man findet und die einem geschenkt werden, faszinieren durch die in sie eingeschriebenen Spuren früheren Gebrauchs. Alles besser als industriell vorgefertigtes Neues. 

 

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Tetrapak

Tetrapak

 

Essen aus der Packung besitzt in urbanen Gärten einen extrem niedrigen Coolness-Faktor. Ganz im Gegensatz zu Pflanzen in der Packung. Tetrapaks sind wie > Reissäcke oder Bäckerkisten lebensmittelechte Behältnisse für die Anzucht von Jungpflanzen. Muss man sie nur aufschlitzen und Erde einfüllen.

 

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Umnutzen

Umnutzen

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Eine Brache ist kein Schandfleck, sondern ein potentielles Idyll. Eine leere Milchtüte ist kein Müll, sondern ein Behältnis. Die Stadt gehört nicht den Investoren, sondern ihren Bewohnern. 

 

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Umweltgerechtigkeit

Umweltgerechtigkeit

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Stadtbewohner_innen mit geringen Einkommen haben seltener Zugang zu Natur als solche mit mittleren oder hohen Einkommen. Sie leben eher an lauten, befahrenen Straßen, sind Emissionen stärker ausgesetzt und verfügen nicht über die monetären Mittel, um in nähere oder fernere Erholungsgebiete zu reisen. Studien haben ergeben, dass Kinder in sozial benachteiligten und dicht bebauten Stadtvierteln kaum die Quartiersgrenzen überschreiten. Umweltgerechtigkeit ist eng an den Stellenwert der sozialen Gerechtigkeit in einer Gesellschaft geknüpft. Um beide ist es derzeit nicht gut bestellt. Gemeinschaftsgärten leisten als offene Räume ein wenig Kompensation, weil sie niederschwellig Zugang zu einem urbanen Grünraum, zu gesunder Ernährung und zu Bewegung an der frischen Luft, aber auch zu sozialen Netzen verschaffen. Nicht zuletzt gehört zu gesunden Lebensbedingungen auch die politische und gesellschaftliche Teilhabe, die in einem Gartenprojekt ihren Anfang nehmen kann (Baier 2013).

Baier, Andrea (2013): Wie soll man gesund sein, wenn man keine Arbeit hat? Gesundheit und soziale Ungleichheit. Erfahrungen einer Frauengruppe mit einem Gesundheitsprojekt. Bielefeld: transcript. 

 

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Upcycling

Upcycling

 

Upcycling ist zweifellos eine Lieblingsbeschäftigung der DIY-Szene, auch wegen der subversiven Anmutung. Upcycling gefällt den Protagonisten insbesondere deswegen, weil es der kapitalistischen Logik ein Schnippchen schlägt. Ihr zufolge sollen defekte Industrieprodukte möglichst schnell durch neue ersetzt werden, damit die Wachstumsdynamik nicht ins Stottern gerät. Die geplante Obsoleszenz lässt sich nicht allein durchs > Reparieren, sondern auch durchs > Umnutzen unterlaufen. Man gestattet den Dingen ein zweites Leben unter neuen Vorzeichen. Müll wieder in Gebrauchsgüter zu verwandeln, sagt Marianne Gronemeyer, ermöglicht es, sich mit den Dingen in der Welt zu beheimaten: Wir können uns nur in einer Welt, die uns überdauern wird, geborgen fühlen (Gronemeyer 2012, S. 68). Auch der Knappheitsdiskurs verliert angesichts dieser Praxis an Überzeugungskraft: Wenn man Dinge reparieren, upcyclen, umdeuten kann, dann sind sie plötzlich nicht mehr knapp, dann ist die Welt immer voll von Dingen, die man (um-)nutzen kann. 

 

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Urban Gardening

Urban Gardening

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Wenn städtische Gemüsegärten mehr an Kunstinstallationen aus Bäckerkisten, Milchtüten und Palettenbeeten als an Landwirtschaft erinnern und zudem noch an ungewohnten Orten wie innerstädtischen Brachflächen oder auf Parkgaragendächern betrieben werden, kann man sicher sein, dass man es mit einem Urban Gardening-Projekt zu tun hat. Die materielle Kultur aus gebrauchten > Dingen des städtischen Konsumalltags inmitten von Pflanzenarrangements ist eine historisch neuartige Freiflächenbespielung. Sie tauchte in Deutschland erstmals mit dem Berliner Gemeinschaftsgarten Rosa Rose und einigen weiteren Kiez- und Nachbarschaftsgärten, prominent dann 2009 mit dem Prinzessinnengarten auf. Seither wächst die Zahl der zum Teil mobilen urbanen Landwirtschaftsprojekte kontinuierlich. Der mobile Anbau und die oft vieldeutige Gestalt stört die übliche Wahrnehmung und ermöglicht einen neuen Blick auf den städtischen Raum.

Charakteristisch für Urban Gardening-Projekte ist, dass das Gärtnern nicht nur der Selbstversorgung oder dem Zugang zu städtischem Land dient. Vielmehr wollen sich viele der experimentierfreudigen Akteure vom „geerdeten“ Standpunkt“ ihrer Projektpraxis aus an lokalen und globalen Debatten über die demokratische und nachhaltige Nutzung des öffentlichen Raums beteiligen, sowie an den Diskussionen um industrielle Nahrungsmittelproduktion, > Umweltgerechtigkeit, Biodiversität, Partizipation, Inklusion oder > Landraub. Dabei offenbart sich zugleich ein neues Verständnis von Politik und > Demokratie. Für all diese gesellschaftlichen Problemfelder will man eigene, praktische Beispiele leisten. Der Garten ist damit auch ein Laboratorium für gesellschaftliche Transformationsprozesse.

https://anstiftung.de/praxis/urbane-gaerten
https://gartenpiraten.net

Müller, Christa (Hg.) (2011): Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt. München: oekom.

 

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Weltwissen

Weltwissen

 

Das, was hierzulande DIY ist, ist anderswo simple Überlebenstechnik. Anleihen an Technologie und Handwerk aus Ländern des globalen Südens finden sich in vielen Projekten. Auf der Suche nach Lösungen für ihre Anliegen stoßen die Protagonist_innen dank Internet mitunter auch auf bewährte Vorbilder aus der sogenannten Dritten Welt; das Pumpenfahrrad im Leipziger Gemeinschaftsgarten Annalinde ist so ein Fall. Auch die Lastenfahrräder stammen aus dem Weltarchiv. Die mobilen Beete im Prinzessinnengarten sind von der Agricultura Urbana auf Kuba inspiriert, und bekanntlich experimentieren die Bewohner der Slums schon lange mit gemeinschaftlichem Gemüseanbau, Tetrapaks und Verpackungsmaterial, stellen Matten aus Plastiktüten oder Schuhe aus Gummireifen her. In Bezug auf Recycling sind die Menschen aus der Peripherie versiert, sie sind schon notgedrungen „Fachleute der Mangelwirtschaft“ und geübt, aus wenig mehr zu machen. 

 

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Zwischennutzung

Zwischennutzung

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Abrissimmobilien, Baulücken oder > Brachflächen: Zwischennutzungen sind häufig die einzige Möglichkeit, um in Großstädten an eine Freifläche oder an Räume zu kommen. Kommunen vermieten Flächen und leerstehende Gebäude vorübergehend und oft für wenig Geld, bis sich eine dauerhafte und gewinnbringende Nutzung abzeichnet. Medienkunstprojekte, Science Slams (unterhaltsame Forschungsvorträge für alle) oder > Knit Nites profitieren vom speziellen Charme der Lokalitäten im Transitstadium.

Für Gemeinschaftsgärten hingegen ist diese Form der Nutzung schwierig, da sie im Handumdrehen zu Habitaten für Mensch und Tier werden, die nach konstanter Präsenz verlangen. Waren viele Projekte zunächst euphorisiert von den temporären Nutzungsofferten – schließlich passen sie perfekt zum > nomadischen Ansatz –  ist man heute eher ernüchtert. Soziale Beziehungen sind nicht so mobil wie Container und Tetrapaks. Nur selten ziehen sie den Nomaden hinterher. Zwischennutzungen mögen der Aufwertung einer Fläche dienen; für Gemeinschaftsgärten sind langfristige Pachtverträge das Mittel der Wahl. Für offene Werkstätten gilt Ähnliches, auch sie brauchen einen Ort, wo sie ihr Equipment dauerhaft unterbringen können.

 

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