Wenn städtische Gemüsegärten mehr an Kunstinstallationen aus Bäckerkisten, Milchtüten und Palettenbeeten als an Landwirtschaft erinnern und zudem noch an ungewohnten Orten wie innerstädtischen Brachflächen oder auf Parkgaragendächern betrieben werden, kann man sicher sein, dass man es mit einem Urban Gardening-Projekt zu tun hat. Die materielle Kultur aus gebrauchten > Dingen des städtischen Konsumalltags inmitten von Pflanzenarrangements ist eine historisch neuartige Freiflächenbespielung. Sie tauchte in Deutschland erstmals mit dem Berliner Gemeinschaftsgarten Rosa Rose und einigen weiteren Kiez- und Nachbarschaftsgärten, prominent dann 2009 mit dem Prinzessinnengarten auf. Seither wächst die Zahl der zum Teil mobilen urbanen Landwirtschaftsprojekte kontinuierlich. Der mobile Anbau und die oft vieldeutige Gestalt stört die übliche Wahrnehmung und ermöglicht einen neuen Blick auf den städtischen Raum.
Charakteristisch für Urban Gardening-Projekte ist, dass das Gärtnern nicht nur der Selbstversorgung oder dem Zugang zu städtischem Land dient. Vielmehr wollen sich viele der experimentierfreudigen Akteure vom „geerdeten“ Standpunkt“ ihrer Projektpraxis aus an lokalen und globalen Debatten über die demokratische und nachhaltige Nutzung des öffentlichen Raums beteiligen, sowie an den Diskussionen um industrielle Nahrungsmittelproduktion, > Umweltgerechtigkeit, Biodiversität, Partizipation, Inklusion oder > Landraub. Dabei offenbart sich zugleich ein neues Verständnis von Politik und > Demokratie. Für all diese gesellschaftlichen Problemfelder will man eigene, praktische Beispiele leisten. Der Garten ist damit auch ein Laboratorium für gesellschaftliche Transformationsprozesse.
https://anstiftung.de/praxis/urbane-gaerten
https://gartenpiraten.net
Müller, Christa (Hg.) (2011): Urban Gardening. Über die Rückkehr der Gärten in die Stadt. München: oekom.