Bauern

Die gesellschaftliche Missachtung des Bäuerlichen führte seit den 1950er Jahren dazu, dass sich Bauern lieber Landwirte nannten, dass sie ihre Höfe wie Betriebe führten und ihre Produktion zunehmend an rational-wirtschaftlichen Kriterien ausrichteten. Die Industrialisierung der Landwirtschaft erforderte und produzierte ein entsprechendes Selbstverständnis. Aber nicht alle Bauern und vor allem Bäuerinnen ließen sich das Bäuerliche austreiben. Heimlich pflegten sie sentimentale Beziehungen zu ihren Tieren, hielten an den dörflichen Austauschbeziehungen fest, verteidigten die lokale Ökonomie, bauten kleinere Schweineställe als die Landwirtschaftskammer empfahl etc.

Insbesondere in den Ländern des globalen Südens erwies sich eine subsistenzorientierte Landwirtschaft immer schon als beste Lebensversicherung, für die bäuerlichen Produzent_innen wie für die lokale und regionale Ökonomie. 2012 bestätigten Experten im Weltagrarbericht, dass nicht die industrialisierte, sondern die kleinbäuerliche Landwirtschaft den Menschen vor Ort Ernährungssicherheit gewähren kann und in der Lage ist, die Welt zu ernähren. Initiativen wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und die Kleinbauernorganisation La Via Campesina bekommen unerwartet Unterstützung durch die neuen „Kleinbauern“ in den Metropolen. Die > Urban Gardening-Bewegung erklärt sich solidarisch mit den Anliegen der internationalen Kleinbauernbewegung und fordert: faire Preise, Zugang zu Land für die unmittelbaren Produzent_innen, kein Flächenverbrauch für Futtermittel und sonstige Industrierohstoffe, freies Saatgut und Nachbaurechte. Urban Gardener unterstützen ihre ruralen Kolleg_innen, indem sie Bewusstsein für die Bedeutung gesunder Lebensmittel schaffen, alte Sorten wiederentdecken, Regionalität und Saisonalität propagieren und vegetarische Rezepte verbreiten.

Baier, Andrea/ Bennholdt-Thomsen, Veronika/ Holzer, Brigitte (2007): Ohne Menschen keine Wirtschaft. Oder: Wie gesellschaftlicher Reichtum entsteht. München: oekom.
Müller, Christa (1998): Von der lokalen Ökonomie zum globalisierten Dorf. Bäuerliche Überlebensstrategien zwischen Weltmarktintegration und Regionalisierung. Frankfurt/New York: Campus.
Weltagrarbericht: https://www.weltagrarbericht.de/themen-des-weltagrarberichts/baeuerliche-und-industrielle-landwirtschaft.html

 

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