Frei, fair und lebendig: So lautet der Titel ihres letzten Buches. Und so hat Silke Helfrich gelebt. Vermutlich deshalb war auch mein erster Gedanke, als ich von ihrem tödlichen Bergunfall am 10. November 2021 erfuhr: Die unermüdliche Silke? Das kann nicht sein. Immer sprühend vor Ideen, immer neugierig, der Welt so zugewandt wie kaum eine andere. Der Tod, der sie zwischen zwei Terminen in den Liechtensteiner Alpen buchstäblich ereilte, riss sie aus einem energiegeladenen Leben, das seinen Anfang 1967 in einem thüringischen Dorf nahm. An der Karl-Marx-Universität Leipzig studierte sie romanische Sprachen und Sozialwissenschaften.
Nach der „Wende“ baute Silke Helfrich zunächst die Landesstiftung Thüringen der Heinrich-Böll-Stiftung auf. 1999 ging sie – erneut in Leitungsposition – für die Grünen-nahe Parteistiftung nach El Salvador. Nach fünf weiteren Jahren, in denen sie sich mit zahlreichen mittelamerikanischen sozialen und ökologischen Bewegungen vernetzte und verbündete, zog sie als Gründungsdirektorin ins „Regionalbüro Mexiko und Karibik“ nach Mexiko-Stadt.
Die Konfrontation mit der Privatisierung und Einhegung von Gemeingütern im Globalen Süden wurde für Silkes Engagement in der weltweiten Commons-Bewegung und -Forschung richtungsweisend: der alltägliche Kampf der Menschen um Zugang zu sauberem Wasser, Land und patentfreiem Saatgut sowie die Wertschätzung indigenen Subsistenzwissens – aber auch der Erhalt eines freien Internets als Wissensallmende bzw. der wenigen kommerzfreien Räume im Netz.
Silke Helfrich stand mit ihrem Denken und Tun ganz in der Tradition der Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom, die für ihre wegweisenden Arbeiten über Gemeingüter und deren Erhalt als erste Frau mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurde. Unter dem Titel „Was mehr wird, wenn wir teilen“ hat Silke zentrale Texte von Elinor Ostrom erstmals einem deutschsprachigen Publikum zugänglich gemacht (erschienen 2011 im oekom verlag).
Commons entstehen durch Commoning
Silke Helfrich und ihr Co-Autor David Bollier sehen in Commons weniger so etwas wie Allmendeweiden als primär „lebendige soziale Strukturen, in denen Menschen ihre gemeinsamen Probleme in selbstorganisierter Art und Weise angehen.“ (Silke Helfrich & David Bollier: Frei, fair und lebendig. Die Macht der Commons. Bielefeld 2019, S. 20)
Die Suche nach Alternativen zu Markt und Staat prägte das Schaffen von Silke Helfrich. Das Buch „Commons. Jenseits von Markt und Staat“ erschien 2012 als Sammelband mit Beiträgen aus aller Welt im transcript Verlag. Für Silke Helfrich war es selbstverständlich, dass das Buch ebenso wie der 2015 erschienene Nachfolgeband „Commons. Muster gemeinsamen Handelns“ als freier Download mit CreativeCommons-Lizenz versehen ist. Da aber auch Verlage Kosten haben, entstanden auch hier wieder neue editorische Kooperationsformen, die den Gedanken des Commoning weiter in die Welt tragen.
Als Mitgründerin der Commons Strategic Group und des Commons Institut e.V. umspannte ihr Aktionsradius transnationale Vernetzungen, das Anregen von Commons-Public-Partnerships sowie teilnehmende Beobachtung von kollektiven Praxen des solidarischen Wirtschaftens vor Ort, für deren Funktionsweisen und Empirien sie sich als Aktionsforscherin zunehmend interessierte. Silke war überzeugt davon, dass „der Kapitalismus verlernbar ist“.
Dass nun die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) einen großen und auf lange Linien angelegten Sonderforschungsbereich zum Thema „Strukturwandel des Eigentums“ an der Universität Jena unter Leitung von Hartmut Rosa fördert, hat Silke Helfrich sehr gefreut.
Sie wäre sicherlich als Commons-Expertin, internationale Vernetzerin und Beraterin gefragt gewesen.
Sie fehlt.
Dieser Nachruf von Christa Müller erscheint in Kürze als Print-Version in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift politische ökologie.